Der Verteilungskampf fällt aus

Die 4.300 reichsten Haushalte in Deutschland besitzen mindestens 1,4 Billionen Euro an Vermögen – steht in einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Und das Netzwerk Steuergerechtigkeit hat festgestellt, Mul­ti­mil­lio­näre konnten ihre Steuer- und Abgabenbelastung seit 1996 mehr als halbieren. Für sehr hohe Einkommen und Vermögen ist Deutschland ein Niedrigsteuerland. Seltsamerweise versammeln Parteien, die Spitzenverdiener, Millionäre und Milliardäre für schützenswerte Leistungsträger halten, also Christenunion, FDP und AfD, satte 52 Prozent der Deutschen hinter sich. Das „linke Lager“ hingegen – SPD, Grüne, Linke und etliche Kleingruppen – kommt laut Umfragen derzeit zusammen auf dürftige 46 Prozent, vielleicht auch, weil es nicht mal in der Umverteilungsfrage eine einheitliche Meinung vertritt: Die SPD beispielsweise, die seit Generationen immer wieder routiniert verspricht, die Normalverdienenden zu entlasten und Top­ver­die­ne­r alsbald „etwas“ stärker zu belasten, zuckt erschrocken zurück, wenn Friedrich Merz „entsetzt“ reagiert und „mehr Respekt für Besserverdienende“ fordert. Was tun?! Zwei klassenkampferprobte Altvordere, ZuWi und HV, haben in ihrer E-Mail-Korrespondenz einen zukunftsweisenden Kompromiss gefunden:
Mit Brecht ins Kloster Marx
HV: „Bertolt Brecht schrieb damals echt zutreffend: „Reicher Mann und armer Mann standen da und sah’n sich an. Und der Arme sagte bleich: Wär’ ich nicht arm, wärst du nicht reich“.
ZuWi: Das hast du dir gemerkt? Warum?
HV: Weil – Armut ist eine notwendige Seite des Kapitalismus, die niemals von den Kapitalisten beseitigt werden wird, weil es die Quelle ihres Reichtums ist. Reichtum ist das Ergebnis von Mehrwert, den sich der Reiche auf Kosten der Arbeiter wie selbstverständlich aneignet. Diese Dialektik von Arm und Reich gilt, solange es Kapitalismus gibt.
ZuWi: Unfug!
HV: Was? Wieso?
ZuWi: So simpel kann man das heutzutage nicht mehr angehen. Ich bin jedenfalls inhaltlich schon wesentlich weiter.
HV: Du hast also Einwände gegen Brecht? Das würde ich mir an deiner Stelle nochmal genau überlegen.
ZuWi: Muss ich nicht. Es ist doch so: Die kapitalistischen Produktionsverhältnisse haben weltweit am meisten zur Hebung des Lebensstandards – auch der Armen! – beigetragen. Und der Unterschied zwischen Kapitalismus und Leibeigenschaft oder Sklaverei besteht darin, dass der kapitalistische Unternehmer die Ausgebeuteten am Leben hält, ihnen ein Auskommen bietet – damit er sie weiter und noch effektiver ausbeuten kann. Diese Strategie war den Fürsten und Sklavenhaltern fremd. Und das kommt bei Brecht nicht zum Ausdruck, weil er eben nur „arm“ gegen „reich“ kennt und nicht „Produktivkräfte“ gegen „Produktionsverhältnisse“.
HV: Du bist einfach ekelhaft pingelig. Und damit verlässt du jede linke Position.
ZuWi: Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich darauf näher eingehe. Dein Brecht hätte mich wahrscheinlich sofort verstanden, aber der war eben klüger als du.
HV: Was gibt’s denn da groß zu verstehen?
ZuWi: Du bist intellektuell träge wie ein Sozialdemokrat und bestehst nur aus ideologischer Schwäche.
HV: Gut, dass ich mittlerweile gewaltfrei lebe – sonst würde ich jetzt dein Auto abfackeln.
ZuWi: Autoabfackeln ist Kinderkram.- Wolltest du noch was sagen?
HV: Nein, mir reicht’s.
ZuWi: Dann hörst du mir jetzt mal zu.
HV: Gern – wenn’s der Revolution dient…
ZuWi: Du musst einfach einsehen, dass das kapitalistische Modell dermaßen erfolgreich ist, dass man unbedingt daran festhalten will, zum Beispiel an der Atomenergie oder am Verbrennungsmotor, und deshalb die Herausforderungen der Zeit – zum Beispiel den Klimawandel – gar nicht oder nur sehr lasch angeht.
HV: Hm. Widerspruch ist wohl zwecklos.
ZuWi: Eben. Ich fasse das für dich mal zusammen: Der Kapitalismus fault zur Zeit vor sich hin und verlegt sich zwangsläufig auf kriminelle Machenschaften. Das bringt den Wohlstand.
HV: Hm, ja, das habe ich übersehen. Da muss ich wohl Selbstkritik üben. Das kommt eben dabei raus, wenn so’n Gefühlskommunist wie ich versäumt hat, sich der Schulung in einer fortschrittlichen K-Gruppe zu unterziehen…
ZuWi: Du schwadronierst dich wieder mal um Kopf und Kragen… Aber das mit der Schulung können wir nachholen. Ich hab meine alten Heftchen noch…
HV: Grundgütiger Himmel, auch Mao?  1 teilt sich in 2 ? Das lernen die in Nordkorea heute noch auswendig.
ZuWi: Ich halte das auch für revisionistisch, vor allem den Blödsinn, dass sich „letzten Endes alle Wahrheiten des Marxismus in dem Satz zusammenfassen lassen: Rebellion ist gerechtfertigt.“
HV: Was soll das denn jetzt?
ZuWi: Hat Mao gesagt.
HV: Da war er wohl bekifft.
ZuWi: Quatsch. Aber er hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er denkfaul war und ein alter „Gefühlskommunist“. Genau wie du.
HV: Und aus dir wird wahrscheinlich mal ein eiskalter Funktionär, egal welcher Richtung.
ZuWi: Sehr richtig! Und deswegen schwebt mir für die kommunistische Herzensbildung ein Kloster vor, nach dem Vorbild der Katholischen Kirche. Besinnlichkeit, Meditation, Beten. Zusammen immer die gleichen Arbeiterlieder singen, im Klostergarten lustwandeln und an wilden Kräutern riechen. Schöne Handschriften von wichtigen Lehrbüchern anfertigen und zum Beispiel den ganzen Lenin, also alle 40 Bände, schön farblich ausgestalten. Und Zölibat! Auf keinen Fall Familie! Ich denke,dabei würde ich eine tiefe Befriedigung empfinden.
HV: Das nenne ich anspruchslos. Wie bist du denn auf diese Idee gekommen?
ZuWi: Guck dir einfach mal die Linke an, egal ob Kommunisten, Anarchisten, Leninisten, Trotzkisten, Stalinisten, Ökosozialisten, Existenzialisten, Gramciisten, Antiimperialisten, Putinisten usw. Womit beschäftigen die sich am liebsten?
HV: Mit Parteitagen.
ZuWi: Richtig. Und da? Jeder gegen jeden! Sie meucheln sich! Und dadurch werden sie immer weniger.
HV: Selbst das Kapital ist davon schon frustriert. In Ermangelung von Linken bezeichnet man Kamala Harris oder Jean-Luc Mélenchon jetzt schon als „linksradikal“. Also ab ins Kloster mit der ganzen Genossenschaft…
ZuWi: Weißt du, dass die großen Theoretiker alle einen mönchischen Charakter hatten? Das Wichtigste für die war immer die Disziplin, vor allem die geistige Disziplin. Also die festen Abläufe, die Rituale, die Selbstreinigung des Denkens.
HV: Karl Marx ist aber nicht ins Kloster gegangen, wenn ich mich recht erinnere. Der ist vor seiner Familie in eine Bibliothek geflohen.
ZuWi: Warum ist er eigentlich nicht ins Kloster gegangen? Er hätte sich doch scheiden lassen können.
HV: Ich vermute, er wollte weder eine Kutte anziehen noch sich eine Tonsur schneiden lassen.
ZuWi: Und die Sandalen. Im Winter!
HV: Alles richtig. Aber hauptsächlich ist Marx nicht ins Kloster gegangen, weil er Jude war.
ZuWi: Ach wirklich? Marx war Jude? Genau wie Jesus?
HV: Ja.
ZuWi: Ich denke, das gehört jetzt nicht hierher. Aber ich bin sicher, Marx würde uns seinen Segen erteilen, wenn wir jetzt in seiner Nachfolge die kommunistische Bewegung zu einer großen schlagkräftigen Kloster-Initiative umgestalten.
HV: Gut, packen wir’s an. Mit ganz viel Mönchs-Power.
ZuWi: Und Fun!
HV: Was?
ZuWi: Na, ein bisschen Spaß muss schon sein – beispielsweise Mo, Mi, Fr Besuch vom benachbarten Nonnenkloster.
HV: Viel zu oft. Das hat ja keinen Zweck.
ZuWi: Aber am 30. April Tanz in den Mai – Hoppelpoppel mit Nonnen!
HV: Aber nur bis 22 Uhr, wegen Lärmschutz.
ZuWi: Vorausgesetzt, die Losungen und Transparente für den 1.Mai sind fertig.
HV: Roller-Rennen im Kreuzgang, Fußball gegen andere, schlechtere Klosterteams –
ZuWi: Bolschewisten gegen Maoisten, völlig okay, Schiedsrichter ist ein Feminist!
HV: Sehr gut! Dann Sauna und tägliche Massage! Hamam! Alimachmimaschwach!
ZuWi: Und anschließend energische Selbstgeißelungen.
HV: Die braucht ein überzeugter Linker nun wirklich nicht, wenn er eine Marx/Engels Gesamtausgabe transkribiert.
ZuWi: Stimmt. Nur in der Entsagung liegt wahrer Frieden. Was wir dann noch brauchen, ist ein Abt. Dafür kandidiere ich. Mein Nom de guerre wird sein Gregor II.
HV: Na gut – dann stelle ich mich als Bischof zur Verfügung. Erzbischof Dietmar-Bodo.
ZuWi: Meinetwegen. Und dann brauchen wir nur noch – äh – äh –
HV: Geld?
ZuWi: Genau. Kloster-Subventionen. Missionskampfkostenerstattung.
HV: Damit wir uns einen Spitzenkoch leisten können.
ZuWI: Kein Problem. Eins muss aber immer klar sein: Linienkämpfe, Fraktionierungen und Personenkult werden strikt unterbunden. Es wird nur nachgedacht, nicht gestritten. Wer dagegen verstößt, kommt in eine Gemeinschaftszelle. 25 nackte Mönche auf 20 Quadratmeter Klausurbereich.
HV: Furchtbarer Gedanke. Das geht nur, wenn genug zu trinken auf Lager ist. Ein anständiger Weinkeller, sonst wird das nix mit der kommunistischen Herzensbildung…
ZuWi: Wein? Das gibt doch wieder nur einen Verteilungskampf. Lieber Bier.
HV: Na gut, dann eben Bier. Aber Freibier! Freibier für alle. Immer.
ZuWi: Dann haben wir ihn endlich, den real existierenden Sozialismus.
HV: In unserm neuen Klosterbau schaffen wir das Weltniewau! Bist du bereit?
ZuWi: Allzeit bereit.

21. Okt. 2024


AUF DEM MIRADOR

Unverändert: Solange die fossilen Brennstoffe, Industrie, Autos und andere Luftverschmutzer satte Gewinne abwerfen, werden die Gefahren kleingeredet, wird Vorsorge ignoriert und Katastrophenschutz vernachlässigt. Klima-Mätzchen kosten ja nur, und Panik wirft keinen Gewinn ab. Steuergelder in Kriegsvorbereitungen zu investieren, ist jedenfalls lukrativer. Wer genügend Geld hat, kann es Gott sei Dank rechtzeitig in Sicherheit bringen. Und es ist ja auch am angenehmsten, wenn die freie Natur indoor stattfindet…

Erstaunlich: Die FDP hängt immer noch an beachtlichen 4 Prozent fest, und nur 61 Prozent aller Wähler würden diesen asozialen Pfründenleasingverein nicht vermissen. Nicht mal der immense Aufwand, den Christian Lindner betreibt, um seine Partei total zu vernichten, ist erfolgreich…

Wichtig: Russen, Chinesen und Mullahs stehen kurz vor Brüssel. Katharina Dröge, Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, warnt daher eindringlich: „Das Gift des Islam erreicht die Köpfe der Menschen nicht nur im Ausland, sondern auch hier.“ Nur den Kopf von Frau Dröge erreicht er nicht, der ist schon überfüllt mit Schwachsinn.

Vorsorglich: Die Hisbollah ist immer noch nicht zum Katholizismus übergetreten… Allerdings hat Brandenburgs CDU-Innenminister Stübgen, fest auf dem Boden der Pegida ruhend, das Islamische Zentrum Fürstenwalde verboten. Damit wurde ein brandenburgisches Kalifat, das Frauen für Küchen- und Gebärmaschinen hält und als dem Manne untertänig sowie allen Nicht-Heterosexuellen die Steinigung verspricht, gerade noch rechtzeitig verhindert. Zum Glück ist eine Partei zweitstärkste Kraft im Land, die daran arbeitet, die Moralvorstellungen der Hisbollah so bald wie möglich zu verwirklichen…

Blödsinnig: Von Gaza darf nie wieder Krieg gegen Israel ausgehen, und deswegen phantasiert Frau Baerbock von deutschen Soldaten in Gaza. Diese Dame ist so dumm – immer wieder wundere ich mich, wie sie es fertig bringt, aufrecht zu stehen. Man muss sie wohl behandeln wie eine Topfpflanze.

Diplomatisch: Beistand für Israel ist deutsche Staatsraison, aber bei Waffenlieferungen an Israel steht die Regierung derart auf der Bremse, dass man schon von einem Embargo sprechen kann. Beistand für die Ukraine ist keine deutsche Staatsraison, aber Deutschland liefert Waffen im Wert von -zig Milliarden an das Land. Israel hingegen liefert keine Waffen an die Ukraine, weil die Ukraine mit unzähligen Stepan-Bandera-Sraßen, -Plätzen und -Denkmälern und mit einem Chmelnitzkyj-Atomkraftwerk ihren traditionellen Antisemitismus auslebt: Chmel war im Mittelalter ein berüchtigter Judenschlächter. Heute dient er also als Namensgeber für ein AKW, das mit Hilfe des US-Konzerns Westinghouse zum größten AKW Europas ausgebaut werden soll.

Unvergessen: Das Münchner Oktoberfest-Attentat vor 44 Jahren, als eine Bombe dreizehn Besucher umbrachte und über 200 verletzte. Die Polizei ermittelte als alleinigen Täter den rechtsradikalen Studenten Gundolf Köhler, der bei dem Anschlag starb. Zweifel an der Einzeltäterthese wurden weitgehend ignoriert, die Fahndung nach Hintermännern verlief uninteressiert und lasch. Schließlich war ja kein bedeutender Altnazi ums Leben gekommen, sondern dreizehn ganz normale Arbeitnehmer. Eine intensive Fahndung nach Neonazis unterblieb: Autobahnen wurden nicht gesperrt, Waldstücke nicht durchkämmt, Wohnungen nicht gefilzt, Buchläden nicht gestürmt, und es wurden auch keine Lauschangriffe und Observationen gestartet. Nicht mal Fahndungsplakate wurden geklebt. Die Regierung bildete keinen Krisenstab, keine Neonazi-Führungskraft kam in Isolierhaft, und rechtsextreme Rechtsanwälte mussten sich nicht den Hosenstall durchsuchen lassen. Anstifter, Mitwisser und Mittäter Köhlers ließen sich weder beweisen noch ausschließen. Die Fehler der Ermittler wurden nie aufgeklärt… Allerdings, das sei ehrlicherweise eingeräumt, es wurde tatsächlich ein bisschen nach rechtsextremen Waffenlagern Ausschau gehalten. Peinlicherweise fand man viel mehr als gedacht. Der Lembke, Heinz, der die Waffendepots betreute, musste festgenommen werden und war – doppelt peinlich – zu einer umfassenden Aussage bereit. Aber ganz bald lag er tot in seiner Zelle: Selbstmord eines weiteren Einzeltäters…

Erfahrungsgemäß: Wenn Mädchen und Frauen beim Oktoberfest begrapscht oder sexuell belästigt werden, können sie Hilfe im „Safe Space“ bekommen. Der Andrang dort war heuer größer als 2019. Am letzten Tag des Oktoberfests soll ein Mann eine Frau in einem Festzelt vergewaltigt haben – direkt neben ihren Freunden. Wollte der Mann dem Freie-Wähler-Führer Aiwanger den Gebrauch ganz normaler nicht-grüner Männlichkeit demonstrieren? Egal, er kommt in Untersuchungshaft. Aber keine Sorge: Ein besoffener Mann wird fast nie für seine Handlungen belangt. Trinkt eine Frau, ist sie bekanntlich selbst schuld, wenn ihr etwas passiert, was sie eigentlich nicht wollte…

Bayerisch: Für den bayerischen Innenminister Herrmann sind zur Zeit nicht die Nazis die Bösen, sondern ganz gewöhnliche Fußballfans. Deswegen fordert er für dieses Gesindel personalisierte Tickets, Kollektivstrafen, leere Blöcke und sogar Schnellgerichte. Ach, Herr Herrmann, ich bin sicher: Wenn Sie Ihre Zehen im vorderen Teil Ihrer Socken suchen müssten – Sie würden scheitern… „Deutschland, aber normal“ – so lautet ein Reklamespruch der AfD, der die CSU mit beißendem Neid erfüllt, weil sie nicht als erste drauf gekommen ist, wo doch feststeht: Vom Herzen her gehört man längst zusammen, aber noch ist es besser, in der Öffentlichkeit nicht Händchen zu halten…

Demokratisch: Bis Ende der achtziger Jahre mussten in Westdeutschland 3,5 Millionen Bewerber für den öffentlichen Dienst ihre Gesinnung überprüfen lassen, und etwa 10 000 Berufsverbote wurden ausgesprochen. Grundlage dafür war der von Willy Brandt zusammen mit den Ländern und dem Innenministerium initiierte sogenannte Radikalenerlass. Der betraf vor allem die Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die fortan ihre aktive Verfassungstreue nachweisen mussten. Lokomotivführer, Friedhofsgärtner, Sozialarbeiterinnen – und allen voran Lehrer und Lehrerinnen, die sich der Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation (zum Beispiel in der nicht verbotenen Deutschen Kommunistischen Partei DKP) schuldig machten: sie wurden mit dem sogenannten Berufsverbot belegt. Es traf aber auch die Protestgeneration – viele in der alternativen Szene waren Mehrfachbetroffene, also zum Beispiel Wehrdienstverweigerer, die sich gegen Atomkraftwerke wehrten, in der Elbe baden wollten, die keine Lehrstelle erhielten, arbeitslos wurden, wegen des Radikalenerlasses auch nicht als Briefträger arbeiten durften und deswegen keine Wohnung fanden. Auch kritische und als unbequem geltende Fernseh- und Rundfunkmitarbeiter gerieten ins Visier der Staatsschützer – schnell kam der Vorwurf, man stehe nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (FDGO), und es folgte die Empfehlung, „geh’n Sie doch nach drüben“, womit die DDR gemeint war.

Beispielhaft: Silvia Gingold, 77 Jahre alt, Friedensaktivistin, Tochter der jüdischen antifaschistischen Widerstandskämpfer Ettie und Peter Gingold, die in der französischen Résistance aktiv waren, darf vom Verfassungsschutz bis heute überwacht werden. Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) teilte mit, dass der hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden hat, Silvia Gingolds grundgesetzlich garantierte Freiheitsrechte seien einzuschränken. „Berufsverbot“ – eine lebenslange Strafe für die Mitgliedschaft in legalen Parteien und Organisationen. Die Leidtragenden: fast ausschließlich westdeutsche Linke, und das zumeist, bevor sie etwas „Verfassungswidriges“ getan hatten oder hätten tun können… Berufsverbot erhielt auch ein Student, der für den marxistischen Studentenbund Spartakus an seiner Hochschule kandidierte. Vorwurf: „Am 30.09.1977 waren Sie mit einer weiteren Person am Plakatieren von DKP-Wahlplakaten aus Anlass der Kreistagswahl 1977 in Cuxhaven…“ Interessant und lachhaft auch der Fall Bodo K. und Brigitte K. Letztere wurde wegen Mitgliedschaft im maoistisch orientierten Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW) entlassen, zu dessen Dunstkreis auch Bodo K. gehörte. Ein gestörtes Verhältnis zur Verfassung wurde ihm jedoch nicht vorgeworfen, vielmehr „moralische Untreue“. Denn der junge Lehrer, der damals in Scheidung lebte, hatte bei einem Landschulheimaufenthalt das Schlafzimmer mit seiner Kollegin geteilt. Dies nahm sein
Schulleiter zum Anlass, ihm „Verunglimpfung der Institution Ehe“ vorzuwerfen – ein Vergehen, dass durch drei Instanzen hindurch aufrecht erhalten wurde. Der dringende Tatverdacht, dass die Beiden nicht auf dem Boden der FDGO standen, ist sicher berechtigt: Sie standen nicht, sie lagen…

Ekelhaft: Auf AfD – Veranstaltungen wird man schon bald hören „Alice für Deutschland“, was der SS-Losung „Alles für Deutschland“ ziemlich nahe kommt. Man folgt in dieser Blase dem AfD-Funktionär Maximilian Krah, der erklärt hatte, „deine Vorfahren haben nichts verbrochen“ und zugab, damit sei durchaus die SS gemeint. Verehrung für das „Dritte Reich“ und seine Insignien, SA und SS, üble Holocaust-Verharmlosung, KZ, Rassenhass, Gewaltfantasien und Adolf-Hitler-Zahlensymbolik -18 – sind der Antrieb der Nazi-Zombies. Beim Versuch der Kommunikation mit ihnen wird deutlich: Sie haben ihr Tourette-Syndrom von Goebbels, Göring und Heydrich geerbt. Zitat Björn Höcke, der auf mich immer den Eindruck macht, als sei er aus einem überfüllten Staubsaugerbeutel gefallen: „Die Vergangenheitsbewältigung als gesamtgesellschaftliche Daueraufgabe, die lähmt ein Volk. Wir haben jetzt 70 Jahre lang Mahnmale gebaut. Es ist hohe Zeit, dass wir endlich wieder Denkmäler errichten.“ Soll so einer Kinder unterrichten dürfen?

Überlegenswert: Bei den Reichstagswahlen 1928 erhielt Hitlers NSDAP 2,6 Prozent der Stimmen. Bis zur „Machtergreifung“ der Nazipartei dauerte es dann gerade noch 5 Jahre. Bei den diesjährigen Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg erhielt die Höcke-Truppe rund 30 Prozent, also fast ein Drittel aller Wählerstimmen. Ich bin daran interessiert, dass das aktuelle politische System in Deutschland 2024 und in den folgenden Jahren energisch verteidigt wird, um noch so eine „Machtergreifung“ zu verhindern. Auch wenn ich damit zugebe, ein miserabler Demokrat zu sein, bin ich dafür, dass Leute, die im Verdacht stehen, eine reaktionäre rechtsradikale rassistische Ideologie zu vertreten, einer strengen Gesinnungsprüfung unterzogen werden und einen „Verfassungstreue-Check“ überstehen müssen. Sie sollen ihre Tattoos vorzeigen – wir wollen wissen, ob da jemand ein Hakenkreuz auf dem Oberarm versteckt. Es reicht nicht, Holocaust-Leugnern im Schuldienst ein Disziplinarverfahren anzuhängen oder nationalsozialistisch infizierte Polizisten abzumahnen – wir wollen diese Typen nicht mal als Dienstwagen-Wäscher einer Behörde. Notwendig ist es vielleicht sogar, das Wahlgeheimnis zu lüften, um möglichst viele aus der Nazi-Gefolgschaft ausfindig zu machen. Und dann brauchen wir eine flächendeckende Einzelfallprüfung, denn alle Parteimitglieder der AfD und ihre Sympathisanten sollten so sanktioniert werden, dass sie ins Ausland flüchten und dort um politisches Asyl bitten. Vielleicht hilft ihnen das sogar…

9. Okt. 2024


(c) 2025 Henning Venske