Wut + Miese Stimmung

Immer mehr Neonazis schaffen es, in die Parlamente einzuziehen. Im Ausland werden prowestliche Faschisten von Deutschland aufgerüstet und propagandistisch unterstützt, im Inland legen Regierung und Opposition Hand an das Grundgesetz, um das Menschenrecht auf Asyl endgültig zu schleifen.

Deutsche Emigranten, vor dem Terror der Hitler-Gefolgschaft ins Ausland geflohen, haben jahrzehntelang ausführlich berichtet, wie wichtig internationale Hilfe war, als es für sie ums Überleben ging, und es gab eine Zeit, da sprach man in Deutschland mit Hochachtung von denen, die damals im Ausland deutsche Flüchtlinge retteten. Wie erbärmlich und arrogant verläuft dagegen die aktuelle Diskussion, die Flüchtlinge verallgemeinernd zu Gefährdern und potentiellen Messerstechern macht, die man am besten gar nicht erst ins Land lässt und zweitens ganz schnell wieder rauswirft. Das unerträgliche Phrasengefasel und Floskelgeschwätz von unseren unumstößlichen westlichen Werten wird flankiert von der Empfehlung, alle in den Arsch zu treten, die an unseren Grenzen ankommen. Man darf gespannt sein, wie der deutsche Staat in Zukunft mit Geflüchteten umgehen will – Schießbefehle kann man schließlich jederzeit reanimieren…

Während all der Hysterie im Land bemüht sich der regierende Schwachkopf, ein internationales Netzwerk zu knüpfen: Er reist durch die Weltgeschichte, um zeitgemäße Ausbeutungsformen anzukurbeln. Erstmal nach Kenia. Das Land soll jungen Menschen Deutsch beibringen und sie in den Pflegeberufen oder zu Kindergärtnerinnen ausbilden, und Deutschland, so das Versprechen, wird ihnen dann in Deutschland einen Job anbieten. Auch die begehrten IT Spezialisten, die in Kenia, dem Silicon Savannah, in beträchtlicher Zahl ausgebildet werden, sollen zu uns gelockt werden. Fragt sich nur, ob die auch kommen wollen: Englisch ist in Kenia zweite Amtssprache, und ins englischsprachige Ausland auszuwandern ist deutlich einfacher als auf eigene Kosten mindestens anderthalb Jahre Deutsch zu pauken. Auch wissen die jungen Menschen in Kenia sehr wohl Bescheid über Wohnungssuche und hohe Lebenshaltungskosten in Deutschland, und dass schwarze Menschen in Deutschland häufig beschimpft und körperlich attackiert werden, hat sich auch rumgesprochen. Das Angebot, in unsere AfD-verseuchten Landstriche zu kommen, ist also hoch verlockend…

Als Gegengeschäft erklärt sich Kenia bereit, die Rückführung abgelehnter Asylbewerber von Deutschland nach Kenia zu erleichtern. Im vergangenen Jahr haben immerhin rund 500 Menschen aus Kenia in Deutschland Asyl beantragt – Donnerwetter! – das waren etwa 0,1 Prozent aller Asylbewerber. Deren Rückführung wird die Flüchtlingssituation in D enorm entspannen!

Kenia allein aber reichte dem Ampel-Männchen nicht, er musste auch noch nach Usbekistan, um mit den Usbeken ein Migrationsabkommen zu schließen. Usbekistan hat eine hohe Geburtenrate und eine entsprechend junge Bevölkerung mit guter Qualifikation, und Usbekistan sei bereit, die Ausbildung auf Deutschland zuzuschneiden, „so dass wir beispielsweise im Pflegebereich dort geeignete Kräfte gewinnen können“, weil es im Land selbst glücklicherweise nicht genügend Arbeitsplätze gibt. Das Migrationsabkommen erleichtert also den Zuzug von Fachkräften aus Usbekistan – insbesondere im Pflege- und Gesundheitsbereich – und die Rückführung von Usbeken ohne Bleiberecht in Deutschland. Dabei geht es um etwa 200 Personen. Erleichterung also allenthalben. Ob Usbekistan als Nachbarland Afghanistans bei der Rückführung von afghanischen Straftätern eine Rolle spielen könnte, und „ob und mit welchem Zeithorizont sich das praktisch materialisiert“, wie es aus Regierungskreisen heißt, muss noch herausgefunden werden. Möglich erscheint eine Auswilderung dieser Leute in der Kyzylkum – Wüste.

Und dann will der designierte Kanzlerkandidat der SPD auch noch in Kasachstan „guten Tag“ sagen. Dort treffen sich die mehr oder minder autoritären Staatschefs von Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgisien. Die sind geopolitisch enorm wichtig, weil sie zwischen Russland und China eingeklemmt sind, und da geht’s hauptsächlich um neue Märkte, also Öl, Gas und andere Rohstoffe, und deswegen sagt auch ein Dutzend Wirtschaftslenker in der Hoffnung auf gute Geschäfte in Astana „grüß Gott“. Die Staaten dieser zentralasiatischen Region sind allerdings wegen Menschenrechtsverstößen international ziemlich übel beleumdet – Turkmenistan etwa auf dem Level von Nordkorea – aber zum Glück haben die staatstragenden Kräfte von Deutschland keine Berührungsängste…

Soviel zum Tun & Treiben unseres führenden Netzwerkers und seiner Gefolgschaft. Aber es handelt sich nicht nur um Kenia und Usbekistan. Auch mit Indien, Georgien, Marokko und Kolumbien gibt es solche Vereinbarungen. Mit Moldau und Kirgistan werden Verhandlungen geführt, und auch mit den Philippinen und Ghana laufen Gespräche. Bei den Abkommen geht es immer um die Abschiebung von Personen ohne Bleiberecht und die Anwerbung von Fachkräften für den deutschen Arbeitsmarkt. Also – wie gesagt – moderne Ausbeutung: Die Länder bilden auf ihre Kosten aus, und Deutschland zieht den Nutzen daraus. Wo kämen wir denn hin, wenn wir stattdessen in diesen Ländern investieren würden, um dort Arbeitsplätze zu schaffen und dort die Wirtschaftslage zu verbessern?! Dann würden, Gott sei’s geklagt, vermutlich die Flüchtlinge wegbleiben…

Naja, vielleicht nicht ganz. Dankenswerterweise gibt’s ja auch noch Kriege, die uns Geflüchtete bescheren. „Wir“ sind zum Glück noch nicht beteiligt. „Wir“ liefern nur die notwendigen Waffen. Die Ukraine muss sich schließlich verteidigen können. „Wir“ haben den Krieg nicht gewollt, das wusste schon Wilhelm II. 1914: „Der Krieg ist Deutschland aufgezwungen worden“, lautete die Rechtfertigung. Seitdem wissen wir genau: Bevor der Krieg mit Kriegserklärung und allem Drum & Dran so richtig begonnen hat, muss man eine schlüssige Schuldlegende häkeln. Das Geschick und die Leichtigkeit, mit der westliche Politiker das Risiko eines Krieges mit Russland minimieren, ist außerordentlich mutmachend, auch wenn der ukrainische Botschafter in Berlin das nicht so sieht: Der fordert nämlich von der deutschen Politik „viel mehr Mut“. Was macht er dann noch in Berlin? Braucht die Ukraine nicht dringend Soldaten? Soll er doch Richtung Kursk marschieren und dort den Mut beweisen, den er von anderen fordert…

Richtig mutig waren zum Beispiel die Fregatte „Baden-Württemberg“ und der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“: Die sind als erste deutsche Kriegsschiffe seit 22 Jahren in die Taiwanstraße eingefahren. Die aber beansprucht die Volksrepublik China als ihre Hoheitsgewässer. Und sowas juckt einen deutschen Kriegsminister sofort verschärft am Säbel. „Internationale Gewässer sind internationale Gewässer. Es ist der kürzeste und angesichts der Wetterlage auch der sicherste Weg. Also fahren wir durch“, sagte er, von der Geschäftswelt mit Applaus bedacht. Herr Niedermark vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erklärte: „Die deutsche Industrie bestärkt die Bundesregierung darin, die bereits erodierende regelbasierte internationale Ordnung so weit wie möglich aufrechtzuerhalten!“ Also: Auch heute mal wieder ein Hoch! Hoch! Hoch! auf die deutsche Kanonenbootpolitik.

Resümee eines alten Schauspielers und Zeitzeugen – auch für weltpolitische Probleme gibt es eine Lösung à la Shakespeare oder eine Lösung à la Tschechow: In Shakespeares Dramen gewinnt zwar immer eine Seite, aber auf der Bühne, also dem Schlachtfeld, häufen sich die Leichen, in Tschechows Erzählungen gibt es fast immer einen Kompromiss – der macht dann zwar alle Beteiligten unglücklich, aber sie leben noch…

16. Sept. 2024


Puzzle

Im Ernst, Frau Esken? Herr Olaf Scholz ist „unser starker Kandidat“ ? Glauben Sie wirklich, Frau Esken, ausgerechnet mit dieser Kanzlerattrappe von Lindners Gnaden, diesem Brechmittelfan, Cum-Ex-Vertuscher und Seeheimer SPD-Rechtsausleger, ist noch was zu holen ? Minister Pistorius steht jedenfalls auf dem Standpunkt, bei seinem Parteigenossen Scholz handle es sich um eine „durchaus ernst zu nehmende Fähigkeitslücke in Europa“.

Außerdem interessieren uns auch nicht all diese brillanten politischen Mantras, zum Beispiel „das gehen wir jetzt konsequent an“, „das muss aufgeklärt werden“, „das gehört auf den Prüfstand“. Auch die Suche nach „rechtlich und praktisch tragfähigen Wegen“ machen wir nicht mit, weil wir gar nicht wissen, was eine „Zeitenwende im Inneren“ ist, die Nordrhein-Westfalens IntegrationsministerinI, die Grüne Josefine Paul, vollziehen will… Doch klar ist, wir sollen uns selbst rechts überholen. Wir sollen die illegale Zuwanderung in den Griff bekommen und eine grundlegende Migrationswende herbeiführen, also Beschränkung der illegalen Migration, denn das Asylrecht ist nicht mehr zeitgemäß, wenn wir diejenigen an den deutschen Grenzen zurückweisen wollen, die klar erkennbar keinen Anspruch auf Schutz haben, und da ist angesichts unserer nationalen Notlage ein Abschiebe-Arrest für alle jungen Männer aus Arabien mehr als angebracht, bis wir mit Syrien und Afghanistan die Rücknahme ihrer Bürger vereinbart haben, um zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung eine Gefährdung unserer nationalen Sicherheit zu vermeiden, zumal die Überforderungsgrenze für unser Land erreicht ist. Klar ist eigentlich nur: Mit den Taliban, mittelalterlichen Zombies ohne jede Zukunft, kann man, muss man, darf man, soll man reden. Mit Putin nicht.

Das Feindbild steht: hochqualifizierte Fachkräfte holen wir aus dem Ausland, Billiglöhner, die auf die Reallöhne drücken, können wir für die Schmutzarbeit und zur Pflege rassistischer Hetzer weiterhin gut gebrauchen.

Kasernen haben Priorität vor Studentenwohnheimen. Kanonenfutter muss nicht akademisch gebildet sein. Künstliche Intelligenz reicht völlig für die Geschäftskorrespondenz des Managements (wofür sie ja erfunden wurde). Bildungsferne Milieus kann man locker von Bildung fern halten: Solange Zuschüsse der Eltern die wichtigste Einkommensquelle der Studierenden sind – kann man denen nur raten: Eltern muss man ich gut aussuchen.

Die SED hat ihren DDR-Staatsbürgern und -bürgerinnen ja deutlich und oft genug erklärt, wie das Leben im Kapitalismus funktioniert. Sie hätten es also wissen können. Aber arglos, naiv, verblendet vom Westfernsehen und abgestoßen von einem DDR-Regime, das materiell mit dem Konsumparadies BRD nicht mithalten konnte, haben sie das nicht geglaubt, weil es die SED war, die ihnen das erzählt hat. Mittlerweile gibt es eine Menge Ossis, die begriffen haben, was sie sich da eingebrockt haben: Sie haben ein nicht perfektes DDR-System gegen ein ganz perfektes BRD-System eingetauscht. Das gefällt ihnen jetzt nicht mehr so gut. Sie wollen wieder zurück, viel weiter zurück, in das deutschnationale DDR-Vorgängersystem: Da werden sie dann noch mehr neue Autobahnen bauen…

Der Philosoph Jürgen Habermas befindet, dass sich „das Bewusstsein der politischen Eliten im Westen von der Logik des Krieges mehr und mehr vereinnahmen“ lasse, und warnt vor dem „Rückfall in eine bellizistische Mentalität“, die nur noch auf militärische und nicht diplomatische Mittel setze. Er wirft dem Westen vor, den Krieg seinem Selbstlauf zu überlassen und keine realistische Vorstellung zu entwickeln, was das Ziel dieses Krieges ist und wie er enden kann. Habermas verweist auf Thomas von Aquin, was ja für alle Katholiken besonders interessant sein dürfte: Schon im Mittelalter wurden die Nebenfolgen auch eines aus moralisch zweifelsfrei nachvollziehbaren Gründen (causa iusta) geführten Krieges als so gravierend eingeschätzt, dass weitere hohe Anforderungen gestellt wurden, um ihn zu rechtfertigen: Er müsse der letzte Ausweg sein (ultima ratio) und angemessen in der Wahl seiner Mittel (ius in bello: der durch den Krieg hervorgerufene Schaden darf den zu erwartenden Erfolg nicht deutlich überwiegen). Und außerdem müsse er eben auch ein realistisches Ziel haben, die realistische Aussicht auf einen den besiegten Feind einbeziehenden gerechten Frieden (iustus finis).

Warum hören die Grünen nicht einfach auf Habermas? Hält Frau Barbock ihn für einen gestörten Tattergreis und ein philosophisches Weichei? Wahrscheinlich nicht: Wahrscheinlich hat sie den Namen Jürgen Habermas noch nie gehört, und es faszinieren sie ausschließlich so Testosteron-strotzende Kerle wie Selenskyj und Klitschko, Andrij Melnyk und Stepan Bandera.

Vielleicht würde es der Glaubwürdigkeit der Grünen dienen, wenn sie wenigstens in anderen Bereichen, also jenseits der Ukraine, mal wieder genuin friedenspolitisch aufträten. Mit Aufrüstungsdynamik und Abrüstungsdialog kannten sie sich früher ganz gut aus, und diese Kompetenzen könnten sie gern reanimieren, zum Beispiel, indem sie eine wirklich dynamische Front gegen die Stationierung von US-Raketen etablieren. Das wäre mal eine aggressive Verteidigungspolitik!

Also ein neuer, ein richtig fähiger Kanzler für Deutschland? Der CDU-Vorsitzende Merz wird bei der kommenden Bundestagswahl 69 sein und bei seinem möglichen Einzug ins Kanzleramt wohl schon 70.
Auf Nachfrage ergänzt der CDU-Chef, dass er einen Zeitraum von „sechs bis zehn Jahren“ im Blick habe:
„Wenn ich es mache“, sagt Merz, „dann muss ich auch das gute Gewissen dabei haben, dass ich das physisch und auch geistig kann und durchhalte – und das sollte dann auch nicht nur für kurze Zeit sein.“ Kanzler bis 80? „Geistig“ im Zusammenhang mit Merz? Schwer vorstellbar. Die jugendliche Schneidigkeit von Friedrich Merz ist nichts Anderes als inbrünstiges Labern. Hat diese sauerländische Lallbacke überhaupt schon mal was Positives auf den Weg gebracht?

Der CSU-Vorsitzende Markus Söder betonte mit Blick auf eine mögliche Kanzlerkandidatur: „Ich bin ja auch sehr stark und sehr stabil.“ Hat das vielleicht irgendeinen positiven Effekt für Deutschland gehabt, der uns entgangen ist? Der „junge“ Herr Söder swingt wie eine fette provinzielle Pupsmachine ohne erkennbare intellektuelle Ausrichtung geräuschvoll über Bayern, und hoffentlich treiben ihn seine Winde nicht nach Norddeutschland ab. Bleibt noch Kanzler Habeck? Der ist doch heute schon älter, als Biden jemals gewesen ist…

Vor 23 Jahren, am 25. Sept. 2001, hielt Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (Das war der mit der Rosshaarmatratze am Kinn) im Bundestag eine Rede. Zum Gedenken an dieses Ereignis hier einige aus dem Zusammenhang gerissene Sätze:
Ihr heutiger Besuch ist auch deshalb ein besonderes Ereignis… weil wir eine neue Qualität internationaler Zusammenarbeit anstreben… Sie sind unser erster ausländischer Staatsgast, der in deutscher Sprache vor dem Deutschen Bundestag spricht – eine außergewöhnliche Geste! (Beifall). Ihr heutiger Besuch ist auch deshalb ein besonderes Ereignis, weil wir eine neue Qualität internationaler Zusammenarbeit anstreben…Wir verdanken sie auch den vielen Menschen in beiden Ländern, die in den vergangenen Jahren aufeinander zugegangen sind und die gute Tradition von Begegnung, Austausch und Zusammenarbeit belebt haben… Denn es gibt sie ja, die guten Traditionen unserer gemeinsamen Geschichte, in der auch Russland zu einem nicht wegzudenkenden Teil der europäischen Kultur und Politik geworden ist. Wie eng waren die Beziehungen zwischen Königshäusern, Kaufleuten und Kulturschaffenden! Thomas Mann hat von der „anbetungswürdigen, heiligen russischen Literatur“ gesprochen… Wie immer die Gemeinschaft der europäischen Staaten in Zukunft organisiert sein wird: Ohne festes Band zu Russland bleibt Europa unvollständig… Danach hielt der russische Staatspräsident Putin eine von den Bundestagsabgeordneten bejubelte Rede. Und was ist dann schief gelaufen? Hat dieser böse russische Wolf daran wirklich die Alleinschuld?

Die Medien sollen in voller Freiheit so viel Dummes und Kluges, soviel Anständiges und Schmutziges produzieren, wie es ihrem geistigen und moralischen Vermögen entspricht. Ich habe in den letzten 60 Jahren so viel Verachtung gegen diese Medien angehäuft, dass sie genügt, um mich für den Rest meines Lebens gegen jede Neigung zu festigen, mich auch nur polemisch mit ihnen zu befassen. (Kurt Eisner)

9. Sept. 2024


Inklusion

Heute wird in Sachsen und Thüringen gewählt, und während man auf das Ergebnis wartet, hofft man, dass die CDU gewinnt: Ich finde das pervers.
Passend dazu meldet die Tagesschau: Zum bevorstehenden neuen Schuljahr wartet die Ukraine dringend auf bereits zugesagte zusätzliche Flugabwehr-Systeme. Diese seien nötig, so Selenskyj, „um unseren ukrainischen Kindern in den Schulen, in unseren Städten und in unserem Energiesektor mehr Sicherheit zu geben“. Was machen denn die Kinder am Beginn des Schuljahres im Energiesektor?
Gleichzeitig toben in Paris vom 28. August bis zum 8. September die Paralympischen Spiele.
Auch so ein hirnverbrannter Unsinn.

Warum hat man diese sogenannten Paralympics nicht gleichzeitig und an den gleichen Spielstätten veranstaltet wie die Olympischen Sommerspiele vom 26. Juli bis zum 11. August?
Man hätte sich die Hälfte des organisatorischen Aufwandes ersparen können, die Sicherheitsmaßnahmen hätten sich ebenfalls halbiert, und auch die Kosten für Eröffnungs- und Abschlussfeiern wären sehr viel geringer gewesen. Die Tatsache, dass über den Sport der behinderten Menschen viel weniger und zu sehr viel ungünstigeren Zeiten in den Medien berichtet wird, wäre nicht so aufgefallen und auch nicht, dass der Prestige-Gewinn des Staates bei Medaillenerfolgen niemanden vom Stuhl reißt, und schließlich wäre die Peinlichkeit der dreckigen Seine auch nur ein Mal zur Sprache gekommen…

Klar, man trennt die ohne-Handicap von denen mit-Handicap, damit nichts und niemand neue Welt- und Olympiarekorde behindert, damit Nationalhymnen im Glanz strahlender Sieger und Siegerinnen ertönen, und damit auf keinen wohlgestalteten Helden der Schatten einer schwer behinderten menschlichen Gestalt fällt. Ich denke: Dadurch, dass man für die Behinderten eigene Spiele veranstaltet, macht man erst richtig deutlich, dass sie aus der Norm fallen und einen Sonderstatus haben, der von der allseits beschworenen Inklusion meilenweit entfernt ist.

Die International Paralympic Committee IPC – Spitzen-Schwafler redeten Erstaunliches bei der Eröffnungsfeier der Paralympics: Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, dass diese Paralympics das Thema Inklusion weiter nach vorne bringen können.Sie sprachen vom „Beginn der paralympischen Revolution“ und davon, dass endlich Grenzen überwunden werden müssten. Der Mut, die Entschlossenheit und die Leistungen der Athletinnen und Athleten seien Vorbild für uns alle: „Heute Abend laden Sie uns ein, unsere Perspektiven zu ändern, unsere Einstellung zu ändern, unsere Gesellschaft zu ändern (…) Jeder eurer Siege wird dazu beitragen, die Welt voranzubringen,“ sagte man und betonte, dass die Para -Sportlerinnen und -Sportler Gleichberechtigung und Integration wollen für sich selbst und für die 1,3 Milliarden Menschen mit Behinderungen in der Welt.

Na super, dann wird wohl alles gut. Inklusion bedeutet ja, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Oder anders: Inklusion ist, wenn alle mitmachen dürfen. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Und die Förderung von Chancengleichheit sowie eine Gleichbehandlung aller Menschen gelten schließlich als Voraussetzungen für Selbstbestimmung und Teilhabe behinderter Menschen.

Was tun!? Ganz einfach: Einsehen, dass die Rekordsucht und das Streben nach Superlativen sinnlos ist. Für das menschliche Wohlergehen weltweit ist es absolut gleichgültig, ob da eine/r eine Hundertstelsekunde schneller rennt oder zwei Zentimeter höher springt. Eine persönliche Höchstleistung ist nicht mehr wert als ein anerkennendes Schulterklopfen oder ein gleichgültiges Achselzucken. Inklusion verlangt ein anderes sportliches Verhalten, Inklusion fordert Integration, Solidarität und ganz neue Regeln.

Zur Zeit sind die Handicaps ganz einseitig verteilt: Sie finden sich ausschließlich auf Seiten der Paralympics (und beim Golf, aber Golf ist in diesem Zusammenhang obsolet). Handicap ist aber laut Definition ein Faktor zur Nivellierung unterschiedlicher Leistungsstärken im Sport. Warum also nicht denen, die ohne Behinderung durchs Leben laufen, springen und turnen, entsprechende Handicaps auferlegen, bis sie unter den gleichen Bedingungen antreten wie ihre behinderten Sportkameraden und -kameradinnen? Vorstellbar wären Rucksäcke mit Gewichten, Bleiwesten, eine Sportkleidung, die den Gebrauch einzelner Gliedmaßen für die Dauer des Wettkampfes verhindert oder auch neu zu erfindende Punktsysteme. Der Möglichkeiten sind viele – und es ist kaum auszudenken, wieviele Rekorde und wieviel Freude (auch dem Fernsehpublikum) die Inklusion bei solch neuen olympischen Spielen produzieren würde. Aber ich fürchte, auch die CDU, wenn sie in Sachsen und Thüringen gewinnt, wird am bisherigen System nix ändern…

01. Sept. 2024


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