General Gaga

Vor einer Woche habe ich’s geahnt, heute meldet die Tagesschau: 

Generalinspekteur will Frauen bei Wehrpflicht einbeziehen

Reicht Freiwilligkeit aus, um die Personalnot bei der Bundeswehr zu lindern? Nein, sagt Generalinspekteur Breuer. Ein neues Wehrdienstmodell müsse auch verpflichtende Anteile haben – und auf Gleichberechtigung setzen. „Wir haben im Moment eine ausgesetzte Wehrpflicht, die laut Grundgesetz allein auf die männliche Bevölkerung zielt. Hier sollte man Gleichberechtigung herstellen. Aber dazu brauchen wir erst eine entsprechende politische und gesellschaftliche Diskussion“, sagte Breuer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Deutschland müsse kriegstüchtig sein. Wollen wir mit diesem hirnlosen mittelalterlichen Etappenhengst wirklich noch diskutieren?

N’allez pas à la guerre! Zieht nicht in den Krieg!

Walter Gröger, Matrose der deutschen Kriegsmarine, wurde im März 1944 von einem Marinekriegsgericht wegen Fahnenflucht zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Dieses Urteil wurde im Juni 1944 wieder aufgehoben. Im Januar 1945 wurde Matrose Gröger auf Antrag des hitlerischen Anklägers, des Marinerichters Hans Karl Filbinger (von 1966-1978 Ministerpräsident in Baden-Württemberg), zum Tode verurteilt und am 15. März 1945 in der norwegischen Festung Akershut erschossen. Der furchtbare Jurist und Politiker Filbinger lebte 94 lange komfortable Jahre, Walter Gröger wurde mit 22 Jahren ermordet. Am 27. Juni 2024 wäre Walter Gröger hundertundzwei Jahre alt geworden. Das ist ein Anlass, über Deserteure nachzudenken und über den Schwachsinn, den Militaristen zu veranstalten fähig sind.

„Wer Putins Weg hasst und die liberale Demokratie liebt, ist uns in Deutschland herzlich willkommen“ hat Bundesjustizminister Marco Buschmann im Frühjahr 2022, kurz nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine, behauptet. Damals konnte man Sätze hören wie „Allen, die sich dem Krieg verweigern, muss Schutz gewährt werden – sowohl aus der Ukraine als auch aus Russland!“

Bis November 2023 hat es 3.500 Asylanträge von russischen Wehrpflichtigen gegeben, die nicht für Putin in den Krieg ziehen wollten – 92 „wehrfähige“ Personen aus Russland haben in der Bundesrepublik Asyl erhalten. Diese lächerlich geringe Quote beweist, mit welch peinlicher Propaganda Deutschland und die EU Politik betreiben: Sie fordern Russinnen und Russen auf, Putin nicht zu unterstützen, versperren ihnen aber zugleich sichere Fluchtwege und bieten alles andere als großzügigen Schutz …

Ukrainischen Männern, die nach Deutschland geflohen sind, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen, ging es zunächst ungleich besser. Nun aber vertritt die CDU die Meinung: Diesen Leuten soll das Bürgergeld gestrichen werden – damit sie der „Einladung“ des ukrainischen Verteidigungsministers folgen, nach Hause zurückkehren und dort die erschöpften Frontsoldaten ablösen. Dies sei eine Frage der Gerechtigkeit den Soldaten und ihren Familien gegenüber, argumentierten die christlichen Konservativen mit ihrem Feldhauptmann Roderich Kiesewetter an vorderster Front. Und FAZ-Redakteur Peter Karstens machte schon vor einiger Zeit eine atemberaubend menschenfreundliche Rechnung auf, die er „das Ukraine-Paradox“ taufte: Die Bundesrepublik, so Karstens‘ These, konterkariere ihre eigenen milliardenschweren Militärhilfen für die Ukraine, wenn sie zugleich „220.000 Männer mit Bürgergeld unterhält, die sich seit Kriegsbeginn aus der Ukraine in Sicherheit gebracht haben“. Deutschland zahle damit „deutlich mehr Geld für den Lebensunterhalt ukrainischer Wehrdienstverweigerer, als es in die Ausbildung und Ausrüstung der ukrainischen Verteidiger gegen die russische Aggression investiert“. Das ist doch mal eine gute Nachricht! Ich fürchte allerdings, die FAZ meint das nicht so – das Blatt drückt sich manchmal nur etwas missverständlich aus…

Wehrfähigen jungen Männern in Deutschland ist auf jeden Fall anzuraten, rechtzeitig einen Fluchtweg auszukundschaften: In der Bundesrepublik Deutschland ist die Wehrpflicht nur ausgesetzt, sie ist aber nach wie vor aktivierbar, das heißt, die Regierung behält sich vor, ihre „kriegstauglichen“ Jünglinge, wenn nötig, zum Morden und Sich-Töten-Lassen zu verpflichten. Also – der zur Zeit noch etwas lasche Umgang mit Desertion und Wehrdienstverweigerung kann schnell ins Gegenteil umschlagen und den grundsätzlich beanspruchten staatlichen Zugriff ratzfatz verschärfen. Der Schoß, aus dem Filbinger und Konsorten krochen, ist fruchtbar noch…

Was ist zu befürchten? Bislang trifft der Zwangsdienst, die Wehrpflicht, nur Männer, weil man traditionell der Ansicht ist, man könne den Frauen außer Kinderkriegen, Erziehung und Haushalt, dem Kampf um gleichen Lohn für gleiche Arbeit und die Quote bei einflussreichen Positionen, nicht auch noch den Waffendienst aufhalsen. Das allerdings – werden Trommelfeuerfans schon bald feststellen – das zeigt eine völlig unzeitgemäße praefeministische Einstellung, und das in einer Zeit, in der die Feldherrinnen Merkel, von der Leyen, Kramp-Karrenbauer, Lambrecht und Baerbock keiner Aufrüstung im Wege standen und höchst männlich die Kommandogewalt in unserem Land innehatten und haben. Ich kann mir gut vorstellen, dass patriotische Politiker schon bald neue gesetzliche Vereinbarungen für den Kriegsfall fordern werden: Man müsse die Last der Landesverteidigung gleichmäßig auf alle Schultern verteilen, werden sie argumentieren, und deswegen müsse man die Pflicht zur Einbeinigkeit, zum Kopfschuss und zur Verkrüppelung an Leib und Seele auch für die wehrfähigen Mädchen zwingend vorschreiben, denn den alten Leitspruch „Krieg du die Kinder, ich bringe sie um“ – diese Form der Arbeitsteilung halte man „in der heutigen Zeit“ für absolut unzeitgemäß..

Was die Herren dabei nicht bedenken: Die Frauen haben – jedenfalls in unserem Land – die Forderung „Mein Körper gehört mir“ durchgesetzt. Frau wird also angesichts einer neuen Wehrpflicht-Gesetzeslage gewiss das einzig Richtige tun: Totalverweigerung oder Fahnenflucht.Vielleicht wird dann sogar die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Frau Dr. Eva Alexandra Ingrid Irmgard Anna Högl, geb. Kampmeyer, ein Selfie mit untergetauchten ukrainischen Wehrdienstverweigerern und russischen Deserteuren in den sozialen Medien posten. Und dazu zitiert sie noch eine Zeile aus „Der Deserteur“ von Boris Vian:
Refusez d’obéir! – Verweigert den Gehorsam!

24.Juni 2024


Unsere gemeingefährliche Schreckenstante in Berlin

Felor Badenberg, eine deutsche Verwaltungsjuristin, war als Vizepräsidentin beim Bundesamt für Verfassungsschutz tätig (Präsident war Hans-Georg Maaßen) und ist zur Zeit Berliner Senatorin für Justiz und Verbraucherschutz. Von ihr kam der höchst demokratische Vorschlag, in Zukunft den Verfassungsschutz einzusetzen, um die Förderfähigkeit von Künstlerinnen und Künstlern zu klären. Glückwunsch! Das ist eine elegante Methode, die Brandmauer zu den Faschisten in der AfD einzureißen, denn die wollen die Freiheit der Kunst, ein entscheidendes Merkmal der freien Gesellschaft, ganz bestimmt auch nicht einschränken – nur die Theater gründlich säubern, ein paar Bücher aus dem Verkehr ziehen und das Entartete ein bisschen eliminieren…


Unsere Lieblingstante in Brüssel

Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) sagte vor zwei Tagen im Sender Phoenix:
„Solange Putin an der Stelle sitzt, wo er sitzt, wird sich gar nichts ändern. Denn nach Ende des Dritten Reiches saß auch keiner mit Adolf Hitler am Tisch, um über die Zukunft Deutschlands zu sprechen.”
Alles vergessen, Frau Abgeordnete?
Hitler saß in Gestalt jeder Menge eingefleischter Nazis an Konrad Adenauers Kabinettstisch, Hitlers Gefolgsleute bekleideten zahlreiche Machtpositionen in Wirtschaft und Justiz, Hitler war allgegenwärtig in Ihrer FDP, denn die war nach der der Niederlage des Nazi-Regimes DAS Sammelbecken aller unbelehrbaren Anhänger des Führers…
Ich denke, mit diesem Satz hat die Wehrkraftlobbyistin Strack-Zimmermann so richtig ins Klo gegriffen.
Hoffentlich ist sie nicht dement, das wünscht man schließlich niemand…


So schlimm wie jetzt war’s noch nie

Nein, ich fürchte mich nicht vor Führerin Weigel und Nazi Höcke, und auch die anderen Hakenkreuz-Visagen der AfD jagen mir keine Angst ein – aber ich fürchte mich vor den vielen völkischen Dummköpfen, die diese Leute gewählt haben… Leider ist das, was die sich demokratisch nennenden Parteien im Angebot haben, wenn sie „Frieden, Freiheit und Sicherheit“ beschwören, auch nicht verlockend: Schließlich sind sie es, die die Militarisierung der Gesellschaft vorantreiben und zig-tausende im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge verantworten. Söder, Aiwanger von den Freien Wählern, Merz, Pistorius, Hofreiter, Strack- Zimmermann & Co repräsentieren zwei Blöcke, die gemeinsam den Wählerwillen lahmlegen: Die einen regieren, die anderen blockieren, und niemand weiß, ob sie die AfD bekämpfen oder fördern wollen… Wir müssen uns wohl darauf einstellen, dass alle Brandmauern demnächst den Bach runter gehen und in den östlichen Ländern die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten entsorgt werden… Das nächste Mal wähle ich die Partei für veganes Lungenhaschee à la DDR … Das ist bestimmt weniger ekelhaft als der Anblick der EU-Chefin v.d.Leyen, wenn sie Mussolini – Zweitbesetzung Giorgia Meloni umarmt…

Deutschland feiert in diesem Monat den „Veteranentag“. 10 Millionen zu „Veteranen“ erklärte ehemalige Soldaten seien „gefährlichen Bedingungen, persönlichen Entbehrungen sowie körperlichen und seelischen Härten“ ausgesetzt gewesen, sagten die Propagandisten für Kriegstüchtigkeit im Bundestag. Nun ja – in Afghanistan war „nur“ etwa eine halbe Million tätig – die haben tatsächlich ihre Gesundheit und ihr Leben riskiert, allerdings auch das eine oder andere Leben ausgelöscht. Diese Soldaten, denke ich, brauchen keinen „Veteranentag“, sondern eine Entschuldigung, dass Deutschland sie in dieses afghanische Debakel geschickt hat. Die übrigen „Veteranen“ wurden zwischen 1956 und 2011 zwangsrekrutiert und waren vor allem dadurch gefährdet, in der Kaserne vom Alkoholismus gefangengenommen zu werden. Anlass zur Bewunderung gaben in der damaligen Zeit nur die mutigen jungen Männer, die als Kriegsdienstverweigerer üblen Schikanen ausgesetzt waren, die als „Drückeberger“ beschimpft wurden, die – als Zivildienstleistende – hilfsbedürftigen Menschen den Hintern abputzten und so die Personalkosten im Gesundheitswesen drückten. Doch für die gibt’s nix…

Der Bundeskriegsminister ist der Meinung: „Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.” Also braucht er Menschenmaterial und Kanonenfutter. Dafür veranstalteten die Streitkräfte einen ganz wunderbaren Werbefeldzug „Werben fürs Sterben“ und präsentierten sich von ihrer unterhaltsamsten Seite: Zivilisten konnten die beengten Verhältnisse auf einem Landungsboot genießen, Orts- und Häuserkampf beobachten und einen Erbsen­eintopf nach Bundeswehr-Art löffeln, es gab Nahkampfvorführungen mit Blaskapellenbegleitung und eine Uniformen – Modenschau. Dazu ganz allerliebst: Vorschulkinder konnten ihre verletzten Teddybären in ein ›Teddybär-Krankenhaus‹ bringen und sie dort unter Anleitung ›sanitätsdienstlich versorgen‹. Keine Frage: Der Sieg ist nah, Russland ist erledigt. Wir müssen nur noch einige Einsparungen im sozialen Bereich akzeptieren… Vorläufig scheint festzustehen: Der Slogan „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“ ist absolut unzeitgemäß, oder wie man heute sagt: Out of time.

Manche Umfragen tragen übrigens dazu bei, dass viele Leute Aufrüstung und Kriegsvorbereitung für ganz normal und wichtig halten. So befürworten laut so genanntem Politbarometer im ZDF rund 70 Prozent der Befragten eine bessere finanzielle Ausstattung der Bundeswehr. Denen ist also bislang noch nicht aufgefallen, dass man das Geld an anderer Stelle auch sinnvoll ausgeben könnte. Andererseits sind etwa 47 Prozent der Befragten guten Mutes, dass „es in Europa zu keinem militärischen Konflikt kommt, in den Deutschland mit der Bundeswehr verwickelt wird“. Denen wiederum ist entgangen, dass deutsches Militär längst in einen solchen Konflikt „verwickelt“ ist – mit Waffenlieferungen, Ausbildung, Sanitäts- und
Aufklärungsdienstleistung. Anscheinend sind 117% der deutschen Bevölkerung irgendwie polymorph pervers…

Im Juni sind die Medien traditionell total engaged beim D-Day, dem Decision Day: Der Westen huldigt mit maßlos aufgeblasenem Propaganda-Pomp, peinlichst verlogen, einer Imagination: Die Menschen sollen glauben, am D-Day wurde der 2. Weltkrieg entschieden, nur die USA, Großbritannien und Frankreich haben Hitler beseitigt, und die Sowjets, also die Russen, haben sich den Ruhm für die Kapitulation am 8. Mai 1945 in Berlin widerrechtlich ans Revers geheftet. Dabei steht doch eines felsenfest: Die Russen haben uns Deutsche nie besiegt, niemals, und wahrscheinlich hat es die Rote Armee gar nicht gegeben (außer im Historien-TV der Zombies vom ZDF). Und deswegen muss man diese Russen zu den Siegesfeiern an der Küste der Normandie auch nicht einladen. Wohl aber die Ukraine, denn die Ukrainer setzen den 6. Juni 1944 im Kampf gegen Russland fort. Um solche Geschichtsdarstellung amtlich zu besiegeln, darf Interims-Präsident Selenskij, der vor allem durch seine Sympathie für den ukrainischen Faschisten Stepan Bandera bekannt ist, sich bei den Feierlichkeiten in Siegerpose präsentieren und behaupten, „heute verteidigt die Ukraine die Freiheit Europas, was damals die Alliierten taten“.

Die US-amerikanische Historikerin und Kriegstreiberin Anne Applebaum, eine Gesinnungsschwester der CDU-Granatwerfer Roderich Kiesewetter und Johann Wadephul, hat in Oldenburg den Ossietzky-Preis erhalten. Leider kann sich Carl von Ossietzky nicht gegen den Missbrauch seines Namens wehren, wir aber fragen uns: Wie kann eine Person mit der Haltung Applebaums den Preis zur Ehrung des Pazifisten und Antimilitaristen Carl von Ossietzky erhalten? Sind hier nicht eher eine Preisträgerin oder ein Preisträger am Platz, die energische diplomatische Initiativen zur Beendigung von Kriegen fordern? Und warum ist eigentlich niemand auf die Idee gekommen, den diesjährigen Ossietzky-Preis Julian Assange zu verleihen, der mit seiner Aufdeckung US-amerikanischer Kriegsverbrechen im Irak ein ähnliches Risiko wie Carl von Ossietzky mit seiner antimilitaristischen Haltung einging, und der seit Jahren eine folterähnliche Haft in einem britischen Gefängnis verbringt? Naja, vielleicht wird’s ja wenigstens was mit dem Friedens-Nobelpreis…

Was gab’s sonst?
Joe Biden schrieb auf Twitter an die Adresse von Netanyahu: „Machen Sie nicht den selben Fehler wie wir in Afghanistan!“ Sehr guter Rat. Aber eine Frage: Hat Afghanistan mal die USA überfallen?
Im übrigen bin ich dankbar, dass unsere demokratischen Medien uns so fürsorglich vor unliebsamen Nachrichten beschützen. Alle Zahlen aus Gaza über zivile Opfer stammen von Hamas, und die Zahlen über die Opfer in der Ukraine kriegen wir von den ukrainischen Behörden. Diese Informationsmethode nennt man Embedded Journalism.

Aber all dieses wird überschattet von der Fußball-Europameisterschaft. Ein nationalistischer Unfug von vorgestern, überhaupt nicht mehr zeitgemäß! Wesentlich spannender wäre ein Turnier mit den Auswahlmannschaften der ersten Ligen in Europa – dann würde Harry Kane in der Auswahl der Bundesliga spielen und Pascal Groß in der Mannschaft der englischen Premier League, und Antonio Rüdiger in Spaniens La Liga-Auswahl, genauso wie der Torwart Ter Stegen, und wir könnten immerhin auch einige recht brauchbare Österreicher einsetzen … Deutsche Fußballer sind allerdings in den anderen europäischen Ligen kaum gefragt… Auch das ist ein Jammer in dieser unglaublich schweren Zeit – da muss man zwischendurch eben mal zum Chillen nach Dubai fliegen..

14. Juni 2024


We are the Champions

Wir haben der Ukraine erlaubt, deutsche Waffen auch gegen Ziele auf russischem Territorium einzusetzen. Selbstverständlich geschieht das im Einklang mit dem Völkerrecht. Na prima – dann herrscht ja wohl bald Frieden. Es sei denn, China erlaubt Russland, chinesische Waffen auch außerhalb der Ukraine einzusetzen, zum Beispiel gegen die rund 33.000 Rheinmetall-Mitarbeiter an 167 Standorten und Produktionsstätten in 28 Ländern… Um dagegen gewappnet zu sein, hat der deutsche Kriegsminister Pistorius (SPD) in Odessa das neue deutsche Waffenpaket für die Ukraine vorgestellt: Flugabwehrsysteme, jede Menge Drohnen und Ersatzrohre für Artilleriesysteme, Austauschmotoren für Kampfpanzer vom Typ Leopard und eine Million Schuss Munition für Handwaffen. Und 2025 soll die Auslieferung von 18 neuen Radhaubitzen der neuesten Bauart folgen. Pistorius will „jetzt vorsorglich die Weichen stellen dafür, dass dieser Krieg noch länger dauert“. Das wiederum freut den Fußballverein Borussia Dortmund (BVB).

Dortmund hat eine lange Tradition als Friedensstadt. Feste und Feiern des BVB finden oft auf dem Dortmunder Friedensplatz statt . Im Zentrum des Platzes steht die Friedenssäule. Direkt neben dem Platz befindet sich ein Ginkgobaum, der an Hiroshima erinnern soll, und im Grundwertekodex von Borussia Dortmund heißt es: „Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung.“ Es gibt ein Foto, auf dem BVB-Profis ein Banner halten mit der Aufschrift „Stop War“. Sehen wir dieselben Großverdiener demnächst mit einem Banner „Go on, War !“ ?

Das, was Kanzler Scholz unter „Zeitenwende“ versteht, hat nun auch die Fußball-Bundesliga erreicht: Die Rüstungsfirma Rheinmetall ist neuer Werbepartner von Borussia Dortmund. Rheinmetall ist Deutschlands größter Waffenhersteller und Spitzen-Profiteur des russischen Angriffs auf die Ukraine: Seit Kriegsbeginn hat sich der Aktienkurs des Konzerns verfünffacht. Geld ist für Rheinmetall also kein Problem, wohl aber das verheerend schlechte Image als Produzent von Leid, Verkrüppelung, Zerstörung, Vernichtung und Tod. Das soll nun der Deal mit dem BVB aufpolieren. Dem Klub geht’s um das Geld, dem Konzern ums Image: Der BVB profitiert ab sofort finanziell von Kriegen. Und Rheinmetall ist mit seinem Geschäftsmodell, der Produktion von so genannten Gefallenen, Witwen, Waisen, Umwelt- und immensen Sachschäden, in der Mitte der Gesellschaft, in Kultur und Sport, angekommen.

Rheinmetall-Chef Armin Papperger freut’s: „Mit dem BVB und Rheinmetall haben sich zwei Partner gefunden, die mit ihren Ambitionen, ihrer Haltung und ihrer Herkunft gut zueinander passen”, sagte er.
Da ist was dran – verbaler Militarismus hatte immer schon einen Platz im Fußball: Der Bombensturm mit dem Bomber der Nation befindet sich in Bombenform, die Schüsse einer aggressiven Offensive muss man taktisch mit einer tief gestaffelten Defensive kontern, Granaten werden zu Volltreffern, Angriffsbemühungen scheitern am gegnerischen Bollwerk, eine Kanone tritt an aus gefährlicher Entfernung, dieser Schuss beendete alle Träume, Kopfballtorpedos entscheiden über Sieg und Niederlage, und die Truppe wird nach großem Kampf schließlich doch noch regelrecht abgeschossen. Diese traditionelle Fußballmetaphorik hat auch internationales Format – 2014 lauteten Zeitungsschlagzeilen anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft „Die deutschen Panzer rollen wieder“.

Aber nicht nur eine gemeinsame Sprache schweißt Fußball und Waffenschmiede zusammen: Rheinmetall produziert für den Infantreriebereich auch Leucht- und Signalmittel, Farbrauchkörper und Reizstoffprodukte, die vor allem auf Fußballtribünen ihre segensreiche Tätigkeit entfalten.

Herr Watzke vom BVB bekennt sich zur „Zeitenwende“ auch im Fußball. Er will den Diskurs darüber „öffnen“, dass „Sicherheit und Verteidigung elementare Eckpfeiler unserer Demokratie sind“. ( Stimmt: Über 40 Gegentore pro Saison sind ein alarmierendes Zeichen von Führungsschwäche…!)
Daraus folgt: Wer für die Sicherheit in Europa sorgt, darf auch in einem Stadion Werbung machen – das ist das Framing, mit dem der Fußballfunktionär Watzke die Fußballwelt überzieht. Der BVB-Geschäftsführer betont, er hätte sein Handeln mit der Spitzenpolitik abgestimmt. „Dass Rheinmetall jetzt einen Fußballverein sponsert, zeigt, wo wir stehen“, sagte dazu der grüne Wirtschaftsminister Habeck, „wir wissen und müssen es leider zugeben, dass wir in einer anderen, bedrohlicheren Welt sind.“ Deswegen sei „die ja eingeübte und auch so verständliche Zurückhaltung“ im öffentlichen Umgang mit der Rüstungsbranche nicht mehr haltbar und richtig, sagte Habeck, und „insofern spiegelt dieses Sponsorship sicherlich auch ein Stück weit die Realität der Zeitenwende wider.“ Man sei in ständigem Kontakt mit Rheinmetall, damit das Unternehmen noch mehr Munition zur Unterstützung der Ukraine produziere, fügte er noch hinzu.

Sinnvolle Argumente zu präsentieren war noch nie eine starke Seite von Herrn Habeck. Und die 08/15 – Rhetorik von Herrn Watzke kann nicht verschleiern, dass er die Frage „Wollen Sie wirklich finanziell von Kriegen profitieren?“ mit einem knallharten „JA“ beantworten müsste, wenn er ehrlich wäre.…

Der Profifußball ist durchkapitalisiert, das wissen wir. Und deswegen ist es auch konsequent, dass die Klubs lukrative Verträge mit Werbepartnern abschließen, egal aus welcher Branche. RB Leipzig rennt für den Brausekonzern, Bayern München labte sich am Geld aus Katar, Schalke liebte die Gazprom – Millionen, Bayer Leverkusen verdient an Kopf- und anderen Schmerzen, und Werder Bremen stützt sich auf ein Geflügelimperium. Doch der Deal zwischen der Borussia und den Kriegsgewinnlern von Rheinmetall – das ist kein normales Sponsoring: Panzer werden nicht durch Bandenwerbung verkauft, Fußballzuschauer kaufen sich keine Flugabwehr, und kein einziger Ultra-Fan entscheidet sich auf Grund von Stadionwerbung, lieber Rheinmetall zu wählen statt Thyssen – Krupp. Und die Geschäftsgrundlage von Rheinmetall ist gewiss nicht der dringende Wunsch, Demokratien wehrhaft zu machen: Jedes Mal, wenn deutsche Regierungsvertreter mit Saudi-Arabien oder andere Diktatoren dieser Welt schmutzige Rüstungsdeals abschließen, und jedes Mal, wenn die türkische Armee mit deutschen Panzern auf kurdische Dörfer vorgeht und Zivilisten massakriert, verdient Rheinmetall sich eine goldene Nase. Übrigens – auch Russland war jahrelang ein guter Rheinmetall-Kunde… An dieser Stelle ist noch anzumerken: Der BVB bietet Gedenkfahrten nach Auschwitz an – und macht jetzt Geschäfte mit einem Unternehmen, das seine Rolle im Vernichtungskrieg der Nazis gegen fast ganz Europa immer noch nicht umfassend wissenschaftlich aufgearbeitet hat…

Diese Kohabitation von Fußball und Rüstungsindustrie zielt darauf, in Deutschland das Image des Krieges zu verbessern. Es geht darum, die Forderungen kriegssüchtiger Politikerinnen und Politiker zu unterstützen und Deutschland „kriegstüchtig“ zu machen. Dafür verkauft Borussia Dortmund sein gutes Image des sympathischen Arbeitervereins für das Ankurbeln der Rüstungsproduktion – und das für gerade mal 20 Millionen Euro in drei Jahren. Das ist doch im Fußballgeschäft eines Champion-League-Finalisten nur Kleingeld! Das sind zehn Millionen Euro weniger als ein mittelmäßiger Spieler kostet, der dann auf der Bank sitzt. Da hat sich ein tölpelhaftes Management kilometerweit ins Abseits gestellt, und Herr Watzke hat sein enormes Potential an strategischer Dummheit offenbart. Doch bricht demnächst irgendwo in Europa noch ein ein Krieg aus, knallen die Champagner-Korken nicht nur bei den Rheinmetall-Vorständen, sondern dann auch bei Watzke und Co, weil sich eine neue Verdienstquelle erschlossen hat.
Es ist verdammt traurig: Jetzt noch Fan von Borussia Dortmund zu bleiben, ist vermutlich nur zu ertragen, wenn man gar nichts mehr merkt.

  1. Juni 2024

(c) 2025 Henning Venske