Ein bisschen Frieden… kaufen!?

Aus reiner Routine rufen Katholiken und Protestanten an Weihnachten und Ostern immer zu mehr Menschlichkeit auf – und jedes Mal wieder entfährt es mir: Um Gotteswillen – noch mehr…?
Und dann muss ich auch noch die deutsche Bildungsministerin ertragen, eine offenkundig unterbelichtete FDP-Dame mit dem schneidigen Doppelnamen Stark-Watzinger, die Schulen in der Verantwortung sieht, junge Menschen auf den Kriegsfall vorzubereiten. „Ziel muss sein, unsere Widerstandsfähigkeit zu stärken“ , sagt sie, junge Menschen müssten die Bedrohungen der Freiheit kennen und mit den Gefahren umgehen können, und dafür will sie das Verhältnis der Kids zur Bundeswehr entkrampfen. Wie Gaga darf man heutzutage sein? Na gut, den Angehörigen meiner Generation wurde in den 50er-Jahren noch beigebracht, bei einem Atombombenalarm sofort unter die Schulbank zu kriechen oder – im Freien – die Schultasche über den Kopf zu halten – das war auch ziemlich bekloppt… Aber offenbar ist es immer noch zeitgemäß, Kindern Angst zu machen und ihnen Feindbilder einzuimpfen. DDR-Wehrkunde-Unterricht reloaded? Oder eine direkte Kriegsvorbereitung mit Luftschutzübungen, womit man bei der HJ und auf den Napolas so einzigartige Erfahrungen gemacht hat?

Modifizieren wir also die reaktionären Überlegungen dieser Bildungsministerin mal ins Modern-Kapitalistische. Natürlich sollen Kinder nicht nur in der Schule, sondern auch via Instagram eine coole und profitorientierte Einstellung zu Rüstung, Bombardierung und Kapitulation entwickeln. Dafür empfiehlt es sich, ein zeitgemäßes Unterrichtsfach zu kreieren: „Kriegskunst dank VWL+BWL“, in dem mit Pulverdampf romantisch parfümierte Jugendoffiziere ihre jugendlichen Follower davon überzeugen, dass im global agierenden Kapitalismus Probleme nicht gelöst, sondern eingepreist werden. Und das Lernziel ist erst erreicht, wenn auch das letzte Migrantenkind begriffen hat, dass Kriege letztlich nur aus Geldgier geführt und mittels Geld verhindert werden können.

Der Ukraine-Krieg hat allein Deutschland rund 240 Milliarden Euro gekostet. Bislang. Vermutlich werden die jungen Menschen, digital gerüstet und KI-gestützt, leicht und locker feststellen, wie lange sich das Sterben der Ukrainer und die Zerstörung ihres Landes noch rentieren wird, wie teuer jeder erschossene Russe die westlichen Volkswirtschaften kommt, wieviele neue White-Stuff-Wildleder-Sneaker deutsche Jugendliche sich dafür kaufen können, und dass es sich durchaus lohnen würde, diesen Krieg in der Ukraine mit finanziellen Transaktionen aus der Welt zu schaffen. Voraussetzung dafür ist, dass die Menschen sich endlich von so mittelalterlichen Wegwerf-Ideen wie Bündnistreue, Heimatschutz, Ehre, Rache, Verteidigung moralischer Werte usw. verabschieden und realisieren: Das alles ist obsolet, ist aufgesogen von der Frage „Rechnet sich das?“ Es ist an der Zeit, kriegsgeilen Politikern, mordlüsternen Militärs und der absolut gewissenlosen Rüstungsindustrie und ihren Lobbyisten für ihre idiotischen Aktivitäten einen finanziellen Ausgleich anzubieten.

Ich vermute, verantwortungsbewusste und betriebswirtschaftlich orientierte Jugendliche werden ganz schnell auf die Idee kommen, diesen Kriegsgewinnlern per Dauerauftrag einfach die gesamte deutsche Kirchensteuer zu überweisen – das sind jährlich etwas über 13 Milliarden €, steuerfrei, aber für mehr Menschlichkeit…

Naheliegend, dass die jungen Business-Profis außerdem schon bald feststellen werden: Jährlich werden angeblich in der EU mehr als 600 Milliarden Euro für Bildung ausgegeben, ohne dass sie davon wirklich etwas merken. Wenn die EU-Länder diesen Luxus mal einige Jahre auslassen und die Summe den Russen auf’s Konto schieben, richtet das im Westen nur vergleichsweise geringen Schaden an, und die Russen werden den größten Teil des Geldes zweifellos beim Shoppen auf den Champs Elysee und bei Lidl in Frankfurt/Oder wieder im Westen abliefern.

Natürlich ist nicht zu erwarten, dass die Russen ihrerseits dem Westen Geld anbieten, damit der keine Waffen mehr in die Ukraine liefert: Russland hat kein Geld, denn das ist im Westen eingefroren. Aber Russland könnte seine eingefrorenen 210 Milliarden Euro plus etwa 4,4 Milliarden Euro an Zinsen bedingungslos der Europäischen Zentralbank überlassen, und wenn es dann noch signalisiert, die Hälfte der Krim wieder aufzugeben, hätte man schon mal eine Verhandlungsbasis. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass die Russen ihr Land verkaufen: 1867 haben sie Alaska an die USA verschachert – 1,6 Millionen km² für 7.200.000 US-Dollar. Unter Berücksichtigung des Inflationsausgleichs wäre das doch ein akzeptabler Deal…

Es böten sich aber auch noch andere Finanzierungsmodelle an: Nach dem Modell des Emissionshandels mit verpesteter Luft könnte man den Waffenhandel minimieren, auch wäre es reizvoll, die Olympischen Spiele auf die Kampfsportarten zu beschränken und dabei nur noch Politiker*innen teilnehmen zu lassen, und die Kosten aller Raumfahrtanstrengungen für die Beseitigung von Kriegsursachen (Umwelt, Hunger usw.) aufzuwenden, das wäre wohl auch kein ganz schlechter Gedanke.

Ausgehend von dem Wissen, dass der Kapitalismus eine kriminelle Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist, von der wir alle profitieren, werden junge Kriegs – BWLer vermutlich auch die Mafia in ihre Überlegungen einbeziehen, wenn es darum geht, kriegerische Auseinandersetzungen, „militärische Sonderoperationen“ und so genannte „humanitäre Interventionen“ zu vermeiden. Demnach ist dann die sicherste Methode, weder von den USA, noch von europäischen Mächten oder von Russland und China angegriffen zu werden, die Bereitschaft, diesen Mächten Schutzgeld in ausreichender Menge anzubieten… Dazu passt eine Tagesschau-Meldung, in der es hieß: „In Hamburg hat die Steuerfahndung im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen für die Stadt erzielt. In Zukunft soll Künstliche Intelligenz (KI) bei der Steuerhinterziehung unterstützen“. Das erweckt die Hoffnung, dass kleinere Konflikte in Zukunft von Hamburger Millionären mittels Schwarzgeld beendet werden…

Wir sehen also – es ist sinnvoll, unsere jungen Menschen zu kapitalistischen Hoffnungsträgern zu erziehen: Zwar betrachten sie die Akkumulation von Gewinn und Eigentum als fundamentale Säulen ihrer Existenz, aber im Gegensatz zu krassen Materialisten halten sie Innovationen als Ausdruck ihres menschlichen Geistes für unverzichtbar. Und es bleibt zu hoffen, dass auch unsere jungen Physiker in die Puschen kommen und schnellstmöglich die sogenannte Anti-Materie auf den Markt bringen. Ein Gramm Antimaterie soll bis zu 800 Milliarden Euro kosten. 800 Milliarden € zu kassieren für Nichts – das wäre mal ein gutes Geschäft. Ob eine Investition dieser Summe für die Abschaffung aller Kriege ausreichen und einen dauerhaften Weltfrieden schaffen kann – mal sehen… Aber um die deutsche Bildungsministerin aus Gründen der Menschlichkeit zu feuern – dafür wird’s reichen.

30. März 2024


Wieder Daheim

Retour aus jenem heiteren Land, wo’s rechtsradikale Bürgermeister gibt und ein eitel-geschwätziger Präsident Bodentruppen in die Ukraine schicken will, wo andererseits das Verkehrsministerium den „Code de la Route” bestimmt und nicht die Verkehrsschilder-Industrie, nach zwei Monaten in la douce France, wo picobello saubere Toilettenhäuschen in ausreichender Anzahl das Leben aller Menschen erleichtern, ohne aus ihrer Notdurft ein Scheiß-Geschäft zu machen, drängt es mich, meine Abwesenheit aufzuarbeiten, und ich sehe als erstes: Frau Strack-Zimmermann marschiert mit Herrn Hofreiter Huckepack zur deutsch-russischen Grenze, um dort persönlich für Abschreckung zu sorgen:

Des weiteren stelle ich fest: Der bayerische Ministerpräsident ist immer noch im Besitz aller Unfähigkeiten, die seine Stellung erfordert, der christdemokratische Oppositionsanführer versucht immer noch, seinen Mangel an Intelligenz durch Überheblichkeit auszugleichen, der Verkehrsminister ist der einzige, der es immer wieder schafft, lebendig einzuschlafen und tot aufzuwachen, der Gesundheitsminister hat nach wie vor im Angebot: Alle Kassen, keine Sprechstunde, der Kanzler versichert, von allem, was er in Zukunft tun wird, nichts gewusst zu haben, den Finanzminister vergisst man schon, während man noch mit ihm redet, der Nazichef von Thüringen benutzt meine Ohren immer noch als Müllschlucker für seinen akustischen Auswurf, und alle Volksvertreter sind sich einig: Die Politik darf keinen Schaden nehmen, der sich nicht rechnet.
ARD und ZDF haben das intellektuelle Schankrecht: Sie reden die Leute besoffen. Fast alle Medien bemühen sich nach Kräften, genau die Propaganda zu produzieren, die sie beim Feind so vorbildlich nachzuweisen versuchen.

Der Papst hat der Christenheit erklärt, die Ukraine solle den „Mut zur weißen Fahne“ zeigen und sich vor dem Suizid bewahren, indem sie Friedensverhandlungen zustimme. Deswegen schämt sich nun die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses als Katholikin in Grund und Boden – sie will lieber bis zum letzten Ukrainer kämpfen lassen. Dieser Meinung ist auch die Außenministerin – die steht nach eigener Aussage auf den Schultern von Joschka Fischer und der Generation der Großväter, zu der auch ihr eigener SS-Opa gehört. „Ich verstehe es nicht in diesen Zeiten“, kommentierte sie die Papst-Äußerung. Vielleicht sollte ihr mal eine aufgeweckte DDR-Bürgerin klar machen, dass es durchaus angenehmer ist, unter russischer Besatzung zu leben als tot im Straßengraben zu liegen.

Und immer wieder bemüht sich der christlich-demokratische Oberst a. D. und CDU-„Verteidigungsexperte“, eine politische Belanglosigkeit im XXL-Format, aber mit dem einprägsamen Vornamen Roderich etikettiert, um Aufmerksamkeit. Er will den Krieg nach Russland tragen und nicht mehr nur Ölraffinerien, sondern auch Bunker, Gefechtsstände und Kommandoposten angreifen lassen. Das würde auch der russischen Bevölkerung endlich klarmachen, was Krieg bedeute, sagte er. Ja, dieser Propagandaredner weiß, was Russen brauchen: Die Erinnerung an 20 Millionen Tote im 2. Weltkrieg oder auch die Belagerung Leningrads – sowas gerät ja schnell in Vergessenheit. Und dann hatte der kriegerische Roderich noch die wirklich gute Idee, die ukrainische Fahne müsse nicht neben, sondern auf dem Bundestag wehen… Nur ein Idiot kann die Unbeweglichkeit so einer Kriegstreiber- Gesinnung für aktive Friedenspolitik halten…

Kein Wunder, dass die SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl sogar EU-eigene Atombomben für ein gewinnbringendes Thema hält – „zur Abschreckung gehören Nuklearwaffen“ – und auch die Wehrpflicht gilt manchen wieder als Beitrag zur Konfliktlösung. Außerdem schickte der Verteidigungsminister die Kriegsmarine ins Rote Meer, um die deutsche Handelsflotte gegen die Drohnen von irgendwelchen Jemeniten zu beschützen. Ob dieser Einsatz uns Steuerzahler noch mehr kostet als die überhöhten Preise, die uns die Reeder wegen des Umwegs ihrer Schiffe in Rechnung stellen würden – das ist einem deutschen Kriegsminister traditionell wumpe.

Feuerschutz liefert ihm sicherheitshalber die Partei der Wirtschaft mit ihren stabilen vier Prozent im Rücken, die immer noch zu doof ist für Tempolimit und ein menschenfreundliches Lieferkettengesetz. Diesem gemeinschädlichen Verein ist Kinderarbeit in Afrika völlig wurscht, aber der Unternehmer, der in Asien seine Näherinnen mit Hungerlöhnen ins Elend treibt, liegt der Partei echt am Herzen. Ihr gut betuchter Chef hat sich für Sozialkürzungen ausgesprochen – ein „mehrjähriges Moratorium bei Sozialausgaben und Subventionen“ sei nötig, um mehr in die Aufrüstung investieren zu können, erklärte er. Ich wette, er besitzt Rheinmetall-Aktien…

Es ist schon ziemlich dreist, dass sich Vertreter der Regierungsparteien bei Demos gegen Rechts auf die Straße trauen, obwohl sie jede Gelegenheit nutzen, den Rechten die Wählerinnen und Wähler zuzutreiben… Und schließlich wurden wir noch darüber informiert, dass AfD-Abgeordnete doch tatsächlich Rechtsradikale in ihrem Stab beschäftigen. Na und? Ich hatte nicht erwartet, dass die Nazis ausgerechnet Antifaschisten einen Job geben.

Es ist nicht anzunehmen, dass die in diesem Text erwähnten Persönlichkeiten etwas mit dem Namen Bertolt Brecht anfangen können. Aber es wäre wünschenswert, wenn sie zur Kenntnis nähmen, dass dieser Dichter mal geschrieben hat, er „halte es für vollständig wertlos, mit Kriegshetzern zu diskutieren. (…) Das sind Feinde der Menschheit. Und sie müssen vernichtet werden, so gut man sie vernichten kann. Sonst kann die Menschheit nicht weiter existieren. Das ist im Namen der Humanität absolut notwendig…“
Zum Glück gibt es auch den Fraktionsvorsitzenden der größten Regierungspartei im Bundestag – der sorgte tatsächlich für einen Ausbruch von Vernunft im Hohen Haus, als er anregte, den Ukraine-Krieg erst einzufrieren und dann zu beenden. Ein ehemaliger Krawall-Botschafter der Ukraine in Deutschland nannte ihn daraufhin den widerlichsten Politiker aller Zeiten. Endlich ist Adolf Hitler diese Rolle los…

16. März 2024


henning venske erinnert an erich mühsam:

Sich fügen heißt lügen – von meiner Hoffnung lass ich nicht

Die Literatur Erich Mühsams ist Ausdruck einer unangepassten Lebensweise, die sich gegen die repressiven Normen und Werte einer patriarchalisch-autoritären Gesellschaft zur Wehr setzt: „Ich habe mir so eine Weltanschauung zurechtgelegt, bei der Tolstoi und Epikur gleichmäßig zu ihrem Recht kommen … Die Menschen brauchen keinen Staat … Es lebe die Freiheit.“
Vor 90 Jahren wurden in Deutschland Bücher verbrannt, so auch die Werke des Schriftstellers Erich Mühsam. Und am 10.Juli 1934 haben Nazis diesen Kämpfer für ein besseres Leben ermordet.

Der Schauspieler, Kabarettist und Autor Henning Venske liest Texte von Erich Mühsam, die heute immer noch – und gerade wieder besonders – aktuell sind, eingebunden in die Erzählung des wechselvollen Lebens dieses unbeugsamen Anarchisten und Antimilitaristen.

Dies ist der Link zum Download der Produktion:

https://www.jumboverlag.de/sich-fuegen-heist-luegen-henning-venske-liest-erich-muehsam/index.php?cNG=540d887c-f20c-11ea-948b-001c42406321&productId=3610&context=search

„henning venske erinnert an erich mühsam“ ist live zu erleben am

  • 30. April 2024 in Alma Hoppes Lustspielhaus in Hamburg,
  • 28. Juni 2024 im Lustspielhaus München,
  • 05. Juli 2024 im Theater Combinale in Lübeck,
  • 15. Juli in Kiel im Metropol – Theater

Und schließlich werden in einigen Wochen in der wunderbaren Reihe „Perlen der Literatur“ des Hamburger Input-Verlags von Ralf Plenz Erich Mühsams „Unpolitische Erinnerungen“ neu aufgelegt.

Erich Mühsam schrieb seine „Unpolitischen Erinnerungen“ zwischen 1927 und 1929 als Auftragsarbeiten für eine Zeitung. Erst 1949 erschienen diese als Buch unter dem Titel „Namen und Menschen“. Mühsam führt die Leserschaft höchst unterhaltsam durch eine Galerie des kulturellen Lebens am Ende der wilhelminischen Epoche zu den Treffpunkten der Maler, Musiker und Dichter, den – wie er es ausdrückt – Brutstätten kultureller Innovation. In diesen Hochburgen der anti – bürgerlichen Boheme passiert die Moderne, und Erich Mühsam erzählt von den Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Er beschreibt die Bohemiens in Kaffeehaus und Kabarett, in Kegelclubs und Ateliers, in geheimen Gesellschaften, Freundeskreisen, an Kneipen-Stammtischen und in Wohngemeinschaften, er berichtet, wer mit wem verkehrt, wer welche Feste besucht, wer von wem rausgeschmissen wurde oder wer wutentbrannt das Weite suchte… Aber Erich Mühsam versteht die Boheme nie als idyllische Künstler-Welt: Die scheinbar sinnlose Exzentrik ihrer Existenz ist für ihn Ausdruck von unbändigem Freiheitsdrang.
Originalausgabe von 1927, neu bearbeitet, 320 Seiten, Leinen, 24,00 Euro, mit einem Vor- und Nachwort von Henning Venske

Erich Mühsam, gemalt von Auguste Herbin (1907), Besitz ungeklärt


(c) 2024 Henning Venske