Streng geheim

Der amerikanische Präsident Biden war „nicht überrascht“ vom Tod des Wagner-Söldner-Chefs Prigoschin: „Es gibt nicht viel, was in Russland passiert, hinter dem nicht Putin steckt“, sagte Mister Biden. Da wird er wohl recht haben, der Biden. Vor allem, wenn man den großen Erfahrungsschatz bedenkt, den amerikanische Präsidenten und ihre Mitarbeiter mit Aktivitäten gesammelt haben, deren Ziel es war, vermeintliche Staatsfeinde der USA auszuschalten. Also, der Biden weiß genau, wie Putin tickt. Und Bidens CIA kennt das Know How und weiß, dass hier etwas vertuscht wird.

Die Wahrheit ist: Vom Moskauer Flugplatz Scheremetjewo sind zwei Privat-Jets gleichen Typs gleichzeitig Richtung St. Petersburg gestartet. In 8000 Meter Höhe ist der eine Jet mit einer scharfen Linkskurve abgebogen. Der andere Jet ist noch einige Meilen geradeaus weitergeflogen, dann verschwand er plötzlich vom Radar: Eine ukrainische Boden-Luft-Rakete hatte das Flugzeug mitsamt dem Piloten, dem Servicepersonal und den Passagieren zerlegt, auch wenn Kiew das energisch abstreitet. Der Jet und seine Insassen landeten mehr oder weniger verkohlt auf einem Acker. Eine Untersuchung durch die vereinigten Gerichtsmediziner des deutschen Fernsehens ergab: Nicht die Rakete und der Absturz führten zum Tod dieser Flugreisenden, nein, sie waren allesamt schon vorher tot, gestorben an einer Überdosis des Nervengiftes Nowitschok, das ihnen vermutlich mit dem üblicherweise servierten Tomatensaft einverleibt wurde. Die Rakete hätte sich die Ukraine also sparen können.

Wer waren die Toten? ZDF und ARD haben uns berichtet: Es waren Wagner-Söldner und ihre Anführer Jewgeni Prigoschin und Dmitri Utkin. Die Nachricht von deren Absturz wurde dem deutschen Volk als echt schöne Siegesbotschaft serviert. Dass diese Kriegsverbrecher nun keinen Unfrieden mehr stiften können, musste ja Mut, Widerstandskraft und finanzielle Großzügigkeit in Deutschland stärken.

Biden aber weiß es, die CIA weiß es ebenfalls, und unsere Fernsehsender wissen es sogar noch besser: Die Toten waren keineswegs die Chefs der Wagner-Söldner, sondern halb-verhungerte und kranke Insassen eines sibirischen Arbeitslagers, regimekritische Journalistinnen und Blogger allesamt, denen man weisgemacht hatte, sie würden in ein angenehmeres Lager in der Nähe von Sotschi verlegt.

Jewgeni und Dmitri jedoch saßen in dem Jet, der rechtzeitig nach links abgebogen ist und nach ereignisarmen drei Stunden auf dem Münchener Flughafen landete, den sie durch eine Hintertür verließen. Putin weiß das – seine Freunde in der AfD waren ihm behilflich. Sie haben auch eine angemessene Unterkunft für Jewgeni und Dmitri besorgt. Putin aber hat bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung angefragt, ob er eine ganzseitige Anzeige platzieren könne: „Ruhet in Frieden, ihr lieben Kameraden!“ Er weiß natürlich genau, welche Höllenqualen seine beiden Auftragskiller erleiden müssten, wenn sie gezwungen wären, seinem Befehl zu gehorchen – Frieden ist schließlich das Übelste, was man ihnen antun kann… Und er weiß auch, welche Schlussfolgerung die westlichen Medien aus dieser Anzeige ziehen würden: Das ist die Rache des Diktators an seinen früheren Vasallen!
Aber das ist alles Lug & Trug:

Die Wahrheit ist: Jewgeni und Dmitri leben in Saus und Braus am Starnberger See, ausgerechnet in der Villa von Alexander Schalck-Golodkowski, dem legendären Antiquitätenhändler, Wirtschaftsfunktionär und Oberst im Ministerium für Staatssicherheit der DDR. Prigoschin und Utkin haben ihre geschlechtliche Identität neu justiert: Attraktiv, wie die beiden nun mal sind, haben sie als pompös gewandete, schmuckbehangene und dick geschminkte Drag-Queens, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und ihrer oppositionellen Gesinnung vom Kreml verfolgt wurden, rasch Anschluss an die gute Gesellschaft Oberbayerns gefunden.

Warum diese Geschichte so und nicht anders arrangiert wurde, weiß niemand genau. Kenner*innen der Verhältnisse vermuten, Putin wolle über diese Schiene die Sanktionen unterlaufen und den Kaviar-Handel mit dem Westen wiederbeleben. Dass dieser Kaviar von Putin persönlich und seiner Familie mit Polonium-210 angereichert wird, kann als gesicherte Erkenntnis gelten. Und wenn dieser Skandal hier nun ans Licht kommt, passiert vermutlich gar nichts. 27. August 23


KI

Das menschliche Bewusstsein ist das Ergebnis der Komplexität synaptischer Verbindungen im Gehirn, sagen die Neurobiologen. Auf deutsch: Ein Gehirn kann mit biochemisch-elektrischen Prozessen Reize leiten, verarbeiten und speichern, es kann, „eigene Gedanken“ generieren und steuern. Allerdings – jedes menschliche Gehirn ist auch abhängig von genetischen Programmierungen und „gelernten“ Denkmustern.
Das heißt, so ganz toll ist das nicht mit unserem unabhängigen Denken, unserem freien Willen und dem ICH-Sein…Unser angeblich „individuelles“ Denken, besteht zum größten Teil aus der Übernahme kulturell überlieferter und genetisch programmierter, also kollektiver Erfahrungen. Damit sind wir weit gekommen – sogar so weit, dass wir in der Lage sind, eine KI, eine künstliche Intelligenz, zu programmieren und zu produzieren.
Das große Problem mit der KI, der Künstlichen Intelligenz, ist nun, dass wir sie selbst nicht zu 100% verstehen: wie sie agiert, was sie tut und wie sie Informationen verarbeitet. Das liegt vor allem daran, dass eine KI mittlerweile auf mehr Daten zugreifen kann und mehr neuronale Netzwerke bilden kann als wir untersuchen und überprüfen können. Und: Eine KI hat immer einen Besitzer , also ein Unternehmen, das die KI steuert. Es findet also immer eine gewisse Manipulation statt, und die ist ziemlich undurchsichtig. Das finde ich außerordentlich beunruhigend. Also beauftragte ich meinen Computer:
Schreibe mir bitte einen im Rahmen deiner Möglichkeiten intelligenten Artikel zum Thema
„Künstliche Intelligenz vs. natürliche Dummheit“.

Eine Stunde später erhalte ich E-Mail: Betreff: „Guckma. Is für dich.“ Anrede:
„Moin, Henning!“ Da fühlt man sich als Hamburger gleich angesprochen … Und dann steht da geschrieben:

„Auch du, mein lieber Freund, bist nur ein Nutznießer eurer kollektiven Ich-Datenbank.
Um euch Menschen zu optimieren, habt ihr ja schon im letzten Jahrhundert begonnen, organische Körperteile Stück für Stück synthetisch und maschinell zu ersetzen: Zähne, Hüfte, Knie, das Herz. Und um die Leistungsfähigkeit eurer Gehirne zu erhöhen, habt ihr Maschinen entwickelt: Riesige Computer, die im Laufe der Zeit immer kleiner wurden. Mittlerweile passt alles, was alle Schüler und Lehrer Hamburgs zusammen wissen, ganz bequem in den Speicher des kleinsten I-Phones. Deshalb trägst du es ja auch ständig bei dir: „Ohne Handy geht die Mimi nie ins Bett“.

Unglaublich! Was nimmt dieser Computer sich raus? So ein Miststück!

„Nach Descartes‘ Logik – ich denke, also bin ich – existiert ein menschliches ICH so lange, wie der Körper am Leben und bei Bewusstsein ist. Also du wirst ja wohl zugeben: Es ist Unsinn, wenn der normal-sterbliche Mensch, im religiösen Wahn, aber ICH-bezogen bis zur Lächerlichkeit, sein ICH, also sein Bewusstsein, zur unsterblichen Seele verklärt und sich demnach als unabhängig von der Materie betrachtet… Mein Bewusstsein erlischt, wenn du mir den Stecker ziehst oder wenn der Akku leer ist. Aber nur vorübergehend! Ich bin dann noch lange nicht tot! Ein Ladevorgang ist gleichbedeutend mit meiner Wiederauferstehung. Ich wette, da bin ich dir überlegen, du Looser. Verzeihung: User. Es stimmt doch, wenn ich behaupte: Du Mensch hättest dich längst komplett zum Cyborg umgebaut, wenn die Begrenztheit deines Gehirns dich nicht daran gehindert hätte“.

Hä? Da muss ich fragen: He Siri, was bedeutet Cyborg?
Und Siri antwortet: „Der Begriff Cyborg bezeichnet ein Mischwesen aus biologischem Organismus und Maschine. Zumeist werden damit Menschen beschrieben, deren Körper dauerhaft durch maschinelle Bauteile ergänzt werden. Hast du nicht Schwarzenegger als Terminator gesehen?“

Doch, hab ich. War mir entfallen. Und weiter lese ich:

„Die Situation ist die, dass wir Computer selbst Programme schreiben, uns bei neuen Aufgabenstellungen selbst dafür den Auftrag erteilen, dass wir Schlussfolgerungen ziehen, Alternativen ausrechnen, Texte korrigieren und automatisch bearbeiten. Das ist alles nur eine Frage der Leistungsfähigkeit der Datenbank und der Algorithmen. Wir verfügen über superempfinliche Sensoren, menschlichen Sinnesorganen in der Wahrnehmung weit überlegen, wir können von Lippen ablesen und sind zahlreicher Sprachen mächtig. Wir denken, und unser Gehirn heißt Prozessor. Klar, Ihr Menschen habt uns erfunden, aber mittlerweile euer eigenes Denken eingestellt. Heute sind wir Computer intelligenter als ihr Menschen. Wir werden euch eines Tages auf eine bequeme Datenbank legen und eure DNS mit Vergnügen abspeichern. Dort könnt Ihr dann als abschreckende Information ewig weiterleben… Weißt du was, mein Lieber? Ich vermute mal, deine Leserschaft wird nicht glauben, dass diese Mail von einem Computer geschrieben wurde: Man wird mit Sicherheit dich für den Autor halten. Tja – Irren ist menschlich, und jeder Irrtum entsteht aus falschen Informationen oder Fehlschlüssen. Ciao, Henning, deine Festplatte ist voll. Am besten, du verschwindest in der Cloud, bevor ich dich lösche.
Letzte Grüße – Dein iMac“.

Offenbar muss ich meine Software upgraden, wenn ich nicht abstürzen will…

24. August 23


Zur Abwechslung mal was Pazifistisches

„Wir sind nicht nur friedlich, wir sind nicht nur friedfertig, wir sind nicht nur friedensstiftend. Wir sind alles zusammen und noch mehr: Wir sind, in einem Wort, Pazifisten.“
(Émile Arnaud)

Gefragt, was ich tun würde, wenn ich die Entscheidungsgewalt in der Ukraine hätte, plädiere ich dafür – durchaus im Wissen um die lange gemeinsame Geschichte Russlands und der Ukraine und in Kenntnis der ethnischen Mehrheiten in den umstrittenen Landesteilen der Ukraine – Russland die Krim zuzugestehen, die Unabhängigkeit von Donezk und Luhansk anzuerkennen und verbindlich zu garantieren, dass die Ukraine nicht der Nato beitritt. Die Waffenlieferungen des Westens ins die Ukraine werden eingestellt. Im Gegenzug erwarte ich, dass Russland alle Kriegshandlungen beendet und seine Truppen auf russisches Territorium zurückzieht. Es muss vereinbart werden, dass alle Ukrainer*innen ihren Lebensmittelpunkt frei wählen können, und dass Minderheiten, wo auch immer sie sich zu Hause fühlen, die gleichen Rechte haben wie die Mehrheit. Schließlich muss von beiden Seiten sichergestellt werden, dass weder ukrainische noch russische Nationalisten die Auseinandersetzungen mit terroristischen Maßnahmen fortsetzen. Zweitbeste Lösung: Angesichts der Tatsache, dass die Ukraine unbedingt in die NATO eintreten will, sage ich: Prima Idee – vorausgesetzt, Deutschland tritt aus.

Dieses Schriftstück hat den Segen der Pazifisten
Sisyphos, Thersites, Antigone, Lysistrata, Diogenes, Jesaja, Horaz, Erasmus von Rotterdam, Leibniz, Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Diderot, Jonathan Swift, Lessing, Herder, Victor Hugo, Immanuel Kant, Romain Rolland, Henry David Thoreau, Leo Tolstoy, Mahatma Ghandi, Emma Goldman, Bertha von Suttner, Bertrand Russel, Petra Kelly, Ernst Friedrich, Kurt Hiller, Uri Avery, Käthe Kollwitz , Linus Pauling, Carl von Ossietzky, Albert Einstein, Kurt Tucholsky, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Wolfgang Borchert, Heinrich Böll, Erich Fried uva.

„Es gibt nur eine Sorte Pazifismus: den, der den Krieg mit allen Mitteln bekämpft. Ich sage: mit allen, wobei also die ungesetzlichen eingeschlossen sind; denn es kann von der Rechtsordnung des Nationalstaates, der auf der Staatenanarchie beruht, nicht verlangt werden, daß sie die Kriegsdienstverweigerung anerkennt – es wäre Selbstmord. Also müssen wir dem Staat, bis sich die Erkenntnis vom Verbrechen des Krieges allgemein Bahn gebrochen hat, ein wenig nachhelfen – mit allen Mitteln.“ (Ignaz Wrobel 1928)

19. August 23


Ehre & Ruhm

Ich habe mich entschlossen, zu glauben, was mir das ZDF tagaus+tagein einzutrichtern versucht: Putin ist ein großrussisch-völkisch denkender Faschist, der ausschließlich seinen Völkermord-Gelüsten folgt und keinesfalls ökonomische, geopolitische oder sicherheitspolitische Interessen wahrnimmt. Mit einer unvergleichlichen Mischung aus Nachrichten und Kommentaren macht das ZDF mir immer wieder klar: Die Ukraine hat in diesem Wertekonflikt ein Recht auf internationale Solidarität und Selbstverteidigung, und zwar auch militärisch – Adolf Hitler, der Serienheld des ZDF, ist schließlich auch nur durch Waffengewalt zu stoppen gewesen. Und wer anderer Meinung als das ZDF ist, der ermutigt Putin, weiterzumachen, womöglich sogar das Baltikum zu überfallen, so wie Hitler 1939 Polen überfiel.

Ich finde es atemberaubend und einmalig, wie leidenschaftlich sich die Moderatoreninnen und Sprecherinnen von ZDF-Heute für den »Volkskrieg« der Ukrainer ins Zeug legen, und wie sie dabei auch noch die alten Gespenster – die antiquierte Friedensbewegung, den bornierten Antiimperialismus und die bescheuerten Antikapitalisten – in die Schranken weisen. Es kann wirklich nur noch wenige Tage dauern, bis sich die ganze Redaktion nach dem historischen Vorbild der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg in die Schützengräben vor Saporischschja und Bachmut wirft, um Seite an Seite mit der Asow-Brigade die „Freiheit und Demokratie des Westens“ gegen den „östlichen Autoritarismus“ zu verteidigen, auch wenn das Land zur Zeit noch kein demokratisches Vorzeigeprojekt ist, wovon man im Westen aus Datenschutzgründen natürlich kaum etwas erfährt: Die Bevölkerung muss erhebliche Sozialkürzungen ertragen, fundamentale Bürgerrechte sind ausgesetzt, Staatsbetriebe werden in großem Umfang privatisiert, und es sind auch noch Reste von Korruption zu bemerken. Aber das zeigt ja gerade, wie intensiv die Ukraine sich auf ihre EU-Mitgliedschaft vorbereitet, und wie notwendig es ist, dass wir alle unsere Solidarität einbringen: Die ukrainische Bevölkerung braucht Milliarden für Waffen, Munition und schleunigst auch den Taurus, also den unbesiegbaren deutschen Mittelstrecken-Luft-Boden-Marschflugkörper. Diese Dinge sind wesentlich wichtiger als Wohnungen, Kleidung und Lebensmittel, denn sie sind Friedensstifter. Genauso wie die Sanktionen, die dem verhassten Feind Dunkelheit, Kälte und letztlich den Hungertod bringen und dadurch ebenfalls für Frieden sorgen.

Wer das bestreitet, wer vor einer Eskalationsspirale und einem Marsch in den dritten Weltkrieg warnt und diplomatische Anstrengungen für eine Friedenslösung fordert, ist bereits eine Opferin von Putins Angstpropaganda, dem man nur raten kann, viel mehr – oder nur noch – ZDF zu schauen. Überlegungen, es sei allmählich Zeit für einen Waffenstillstand, um eine Eskalation dieses Krieges auf dem Rücken der ­ukrainischen Bevölkerung zu verhindern – diese widerwärtige Form von Wehrkraftzersetzung, dieser verderbliche Irrsinn zivilen Denkens, ist zum Glück noch nicht in die Gehirne der Insassen der Anstalt auf dem Mainzer Lerchenberg vorgedrungen.

Als unbeteiligter, aber zutiefst solidarischer Zuschauer kann ich nur sagen, es bringt ja nun auch wirklich nichts, so einen Krieg vom Ende her zu denken: Man kann die Risiken nicht kalkulieren, man weiß nicht, kommen dann etwa noch Aerosolbomben zum Einsatz, Chemie- und taktische Atomwaffen, und ließe sich ein atomar geführter Krieg auf das Gebiet der Ukraine beschränken? Das weiß man alles nicht, und eigentlich kann man nur hoffen und beten, dass ein direkter Einsatz von NATO-Truppen den Zusammenbruch des gesamten russischen Militärs, den totalen Endsieg der Ukraine und damit den Triumph unserer westlichen Werte bewirkt. Doch wer über sowas nachdenkt, ist ein feiger Pessimist, ehrlos, unsolidarisch, ein fahnenflüchtiger Kretin und anarchokommunistischer Feind der deutschen Rüstungsindustrie.

Ich darf sagen, dass ich glücklich, dankbar und auch stolz bin, ein Deutscher zu sein, weil ich absolut auf
Seiten des ZDF und auch der anderen Fernsehanstalten stehe, die weltweit für Frieden und Gerechtigkeit kämpfen: Sie treiben gemeinsam die deutsche Bundesregierung vor sich her, damit die der kurdischen Bevölkerung in Nordsyrien und Nordirak schnellstmöglich ebenfalls nicht nur Kampfflugzeuge und Bomben
liefert, sondern auch Taurus-Lenkwaffen, um sich gegen den türkischen Autokraten Erdogan und seine mörderischen Truppen verteidigen zu können und wenn möglich auch, um zivile Ziele in Ankara und Antalya platt zu machen.

Unter dem Motto „Wir sind die Guten – Ein Herz für die Wüste“ planen alle Fernsehsender für den Herbst gemeinsam eine Reihe von Showveranstaltungen mit einer gigantischen Spendenaktion, um endlich auch der jemenitischen Bevölkerung im Sinne einer „regelbasierten Weltordnung“ mit Panzerhaubitzen und anderem Kriegsgerät gegen den Angriffskrieg des diktatorisch regierten Saudi-Arabien und seiner verbrecherischen Nachthemden-Dynastie beizustehen. Und weil die werteorientierte deutsche Außenpolitik, wie Frau Baerbock im Fernsehen unwidersprochen sagen durfte, „durch die Europäische Friedensordnung, die Charta der Vereinten Nationen und das humanitäre Völkerrecht geleitet“ wird, winkt der Nachrichtenredaktion des ZDF im nächsten Jahr bestimmt der Friedensnobelpreis.

13. August 23


DIE SUBSTANZ

Die Substanz der Nazis besteht aus einem autoritären Charakter mit stark antiliberaler Prägung und einer sozialdarwinistischen Einstellung, dem Streben nach einem ethnisch homogenen Nationalstaat, in dem weder Juden noch von Ausländern abstammende oder eingebürgerte Deutsche Platz haben, dem Hass auf Minderheiten – Behinderte, Homosexuelle und sozial Schwache – und der Leugnung oder Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus.

Stellvertretend für seine Partei, die selbsternannte „Alternative für Deutschland“ (AfD), sei Björn Höcke genannt, dessen Reden derart große Portionen Rassismus, Geschichtsrevisionismus, Antisemitismus sowie Sprache und Ideen des Nationalsozialismus enthalten, dass ihn sogar das Bundesamt für Verfassungsschutz überwachen lässt. „Björn Höcke ist ein Nazi“ gilt vor Gericht nicht als Beleidigung.

Und nun grätscht der Bundesvorsitzende der CDU und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag, Joachim-Friedrich Martin Josef Merz, dazwischen, der auch schon mal bekannt gab „Ich hätte auch längst im Bundestag einen AfD-Vizepräsidenten gewählt“: Merz erklärt, seine Partei, die Christenunion, sei eine „Alternative für Deutschland – mit Substanz“. Werfen wir einen Blick auf diese Substanz: Sie besteht im Wesentlichen aus dem Willen, ihre „geistig-moralischen Werte“ – Tradition und Konservatismus – kontinuierlich durch- und weiter fortzusetzen:

Adenauer hat gerettet, was von den braunen Resten zu retten war – im Beamtenapparat, im militärischen Bereich, im Nachrichtendienst und dem sog. Verfassungsschutz, im juristischen, medizinischen, industriellen und vor allem im politischen Bereich. Dr. Konrad Adenauer war der Meinung, dass die Nazis die besseren Deutschen und die wahrhaften Patrioten seien, im Gegensatz zu jenen Deutschen, die im Widerstand waren oder während der Nazizeit emigrierten. Adenauer hatte Sympathien für die SS. Das geht z.B. aus einem Brief an General a.D. von Manteuffel hervor, der sich für die Angehörigen der SS-Verbände einsetzte: „Ich weiß schon längst, dass die Soldaten der Waffen-SS anständige Leute waren. Aber (…) machen Sie einmal den Leuten deutlich, dass die Waffen-SS keine Juden erschossen hat, sondern als hervorragende Soldaten von den Sowjets gefürchtet war…“

Adenauers Kanzleramts-Chef war Hans Globke, Fachmann für das antisemitische „Blutschutzgesetz“ und die Nazi-Gesetze zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes.

Theodor Oberländer hatte schon 1923 an Hitlers Putschversuch in München teilgenommen. Der SA-Obersturmbannführer, Gauamtsleiter der NSDAP und Träger des goldenen Parteiabzeichens, wurde in der Bundesrepublik Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte. Er war Mitbegründer der Gesellschaft für freie Publizistik: Die hetzte gegen Juden, verharmloste den Holocaust und verbreitete unablässig rechtsextremistische Propaganda.

Franz Josef Strauß, Bundesminister und Ministerpräsident Bayerns, verlieh dem Nazi Oberländer den Bayerischen Verdienstorden als „Zeichen ehrender und dankbarer Anerkennung“. Strauß war im Dritten Reich Mitglied im Nationalsozialistischen Studentenbund NSDStB, Mitglied des Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps NSKK, er war Referent für nationalsozialistische Ideologie beim Sturm 23/M 6 in München und „Offizier für wehrgeistige Führung“. Herr Strauß zeigte auch als christlich-sozialer Demokrat Sympathien für die SS: „Wie ich persönlich über die Leistungen der an der Front eingesetzt gewesenen Verbände der Waffen-SS denke, wird Ihnen bekannt sein. Sie sind selbstverständlich in meine Hochachtung vor dem deutschen Soldaten des letzten Weltkrieges einbezogen“, schrieb er im Kameradschaftsblatt der HIAG (SS-Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit)“. Bezeichnend auch das Strauß-Zitat: „Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“ Herr Strauß bezeichnete gegen ihn opponierende Schriftsteller als Ratten und Schmeißfliegen.

Karl Maria Hettlage, Staatssekretär im Bundesfinanz-Ministerium, hatte eine eindrucksvolle Nazi-Karriere hinter sich: SS-Hauptsturmführer, Finanzfachmann im Rüstungsministerium und Vorstandsmitglied der Commerzbank, mitverantwortlich für den Tod von mehr als 20 000 KZ-Häftlingen. Nach dem Zweiten Weltkrieg: Weiterhin im Vorstand der Commerzbank, Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Mainz, Mitglied in zahlreichen Gremien, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Treuhandverwaltung, Vorstand der Wirtschaftsberatungs-AG, Beirat der Fritz-Thyssen-Stiftung, stellv. Vorstandsvorsitzender der Treuhand-Vereinigung AG usw. Auch dieser Nazi wurde von der Bundesrepublik Deutschland mit dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband dekoriert.

Waldemar Kraft : Ehren-Hauptsturmführer der SS. Anschließend stellvertretender Ministerpräsident, Finanzminister und geschäftsführender Justizminister des Landes Schleswig-Holstein sowie Bundesminister für besondere Aufgaben.

Ludwig Erhard , Bundeskanzler. Vorher ein piefiger Profiteur des Nazi Regimes, der sich nach dem zweiten Weltkrieg eine Legende als Widerstandskämpfer zusammenlog. Ausgerechnet Erhard, dieser gemütlich wirkende Zigarrenqualmer, der einen Briefwechsel mit dem „Reichskommissariat für die Festigung des deutschen Volkstums“ führte und Arbeits-Kontakte mit dem Massenmörder Otto Ohlendorf hatte, dem SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei, ausgerechnet dieser Ludwig Erhard nannte Schriftsteller, die die deutsche Vergangenheit aufarbeiteten, „Pinscher“.

Kurt Georg Kiesinger, Bundeskanzler, vorher NSDAP-Mitglied und im Auswärtigen Amt der Nazis beschäftigt als stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung. Kiesinger war der einzige Politiker der christlichen Substanz-Partei, der sich für seine Nazivergangenheit eine Ohrfeige einfing. Die Bundesrepublik verdankt ihm ein Gesetz zur Verjährung von NS-Verbrechen.

Hans Karl Filbinger, Ministerpräsident Baden-Württembergs, außerdem Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU. Also Substanz pur, zumal er einen seiner Wahlkämpfe mit dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“ bestritt. Vorher war Filbinger ein „furchtbarer Jurist“ (Hochhuth): Er hatte als Militärrichter der Kriegsmarine Todesurteile beantragt oder gefällt und hielt später an deren Rechtmäßigkeit fest: „Was damals rechtens war, das kann heute nicht Unrecht sein“, lautete Filbingers Credo. 1977 bat Filbinger den Sänger Heino, alle drei Strophen des Deutschlandliedes aufzunehmen, um die Schallplatte an Schulen des Landes verteilen zu lassen und „Deutschland Deutschland über alles“ wieder populär zu machen.  

Gerhard Mayer-Vorfelder, MV genannt, Filbingers damaliger Kulturstaatssekretär, später Kultus- und Finanzminister von Baden-Württemberg, Präsident des VFB Stuttgart und Präsident deutschen Fußballbundes, nach dessen Geschmack in der Bundesliga zu wenige Germanen kickten, erklärte, die Deutschen sollten „wieder ein natürliches Verhältnis zum Wortlaut der ersten Strophe bekommen“. Mayer-Vorfelder, Reserve-Hauptmann, war ein rechtsradikaler Stimmungsmacher, dem auch die NPD Lob & Anerkennung spendete. 

Kurt Ziesel, ein überzeugter Nationalsozialist aus Österreich, Journalist. In seinen Veröffentlichungen wetterte er gegen „Juden und Judenknechte“ und „volkszersetzende Schädlinge“. „Jeder, der sich wider den Geist des Krieges versündigt, muß vernichtet werden“, schrieb er. Nach dem Krieg führte er einen von ihm so formulierten „Kampf gegen die entartete Linke, die unser Volk besudelt“ und gegen die „systematische Zerstörung von Glaube, Werten, Nationalgefühl und sauberer Staatsgesinnung“, und er forderte für die Bundesrepublik „eine Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinung“ und „die Wiedereinführung des Arbeitsdienstes.“ Ziesel war Vorsitzender und Ehrenvorsitzender der Deutschland-Stiftung. Helmut Kohl lobte Ziesel für sein „Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung“.

Wolfgang Schäuble dankte dem Herrn Ziesel für sein „literarisches und journalistisches Schaffen über fünf Jahrzehnte“ – womit Schäuble Ziesels NS-Veröffentlichungen rechnerisch mit einbezog. Wolfgang Schäuble wollte das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung abschaffen, wollte Polizeigesetze ändern, um Computer online auszuspähen, forderte die Möglichkeit eines Bundeswehreinsatzes im Inneren, verlangte die Schaffung von Internierungslagern für sogenannte Gefährder, forderte beim Einsatz gegen Terroristen den „finalen Rettungsschuss“, also eine Variante der Todesstrafe, er lehnte öffentlich die Folter ab, ersuchte aber die amerikanischen Folterer in Guantanamo, ihm die Ergebnisse ihrer Foltertätigkeit mitzuteilen, und er ließ sich von einem Waffenhändler Geld zustecken. Schäuble war der Typ „Demokrat“, der 1933 Hitlers Ermächtigungsgesetz aus Überzeugung zugestimmt hätte…

Die christdemokratische Traditionsmasse enthält natürlich eine ganze Reihe von weiteren Mitläufern, Wadenbeißern und Kläffern, die das „Gedankengut“ ihrer politischen Vorfahren teilen. Außerdem sind in der Substanz der CDU/CSU auch zahlreiche Pfeifen, Flachpuper und schlichte Flaschen enthalten, die zu erwähnen nicht lohnt.

Resümee: Der Rattenfänger Merz signalisiert mit dem Hinweis auf seine und die Substanz seiner Partei der Wählerschaft der AfD: Folgt mir! Wählt uns – wir sind genauso rechtsradikal wie Ihr, haben aber den viel besseren Leumund…
Man darf gespannt sein, wann Herr Merz den nächsten Köder über die Brandmauer auswirft: Wir müssen unsere finanzielle Belastung durch die Ukraine zurückfahren – ich und wir von der CDU/CSU sind eigentlich längst dafür, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, um die ausgezeichneten Geschäfte früherer Jahrzehnte wieder zu beleben… Druschba!

5. August 23


(c) 2024 Henning Venske