DIE SCHLAMMSCHLACHT

Kleinkariertes Kabarett um ein ehemals großes Kabarett in München.
Kasse leer, Personal weg, Spielbetrieb eingestellt.
Das Ensemble um die Gage geprellt.
Anwälte sind „eingeschaltet“.
Medien wälzen Unwahrheiten durch die Stadt.
Überall die Fotos der Ensemblemitglieder von 1956 bis 1972, alle gestorben.
Die Lach-und Schießgesellschaft ist tot.
Wiederbelebungsmaßnahmen werden mit Getöse zelebriert.
Man kann sich nochmal über das Gebotene amüsieren:
Der Insolvenzantrag ist gestellt.

Nun ist eine Insolvenz ja nix Schlimmes. Unser philosophisch geschulter Wirtschaftshabeck hat vor einiger Zeit zu diesem Thema im Fernsehen Klartext geredet: „Das sehen wir ja jetzt überall, dass Läden, die darauf angewiesen sind, dass die Menschen Geld ausgeben, Blumenläden, Bioläden, Bäckereien gehören dazu, (Kabarett hat er vergessen, typisch) dass die wirkliche Probleme haben, weil es eine Kaufzurückhaltung gibt – dann sind die nicht insolvent, automatisch, die hören vielleicht auf zu verkaufen. Man würde dann insolvent werden, wenn man mit der Arbeit immer größeres Minus macht“.

Der eine „starke Mann“, Stefan Hanitzsch, wollte wirtschaftlich wie inhaltlich erfolgreich sein und die Lach- und Schieß-Ges. in die „digitale Ära“ führen, mit Stream und Hörbüchern, mit Tonstudio und Podcasts. Kann man machen, aber Böhmermann gibt’s schon, und Hanitzsch weiß vermutlich nicht, dass das politisch-literarische Kabarett als Basis den engen Raum, die Nähe des Publikums, eine politische Haltung und eine subversive Grundstimmung braucht. Ich denke, Hanitzsch sollte lieber einen Job bei Instagram anstreben und Influenzer werden.

Der andere „starke Mann“, Bruno Jonas, ließ verlauten, dass das literarische Kabarett wieder einen größeren Stellenwert bekommen und politisch relevant werden solle.Die Leitung wolle er dabei allerdings nicht übernehmen. Wer denn dann? Nun, man könnte Didi Hallervorden holen, der macht den Laden voll, wenn er selbst auftritt. Und wenn ein Kabarettist mit einer Reputation wie Bruno Jonas eine Kabarettbühne mit etwa 120 Sitzplätzen übernimmt und nicht persönlich auftritt, ist er ein lausiger Prinzipal. Doch in den vergangenen Jahren ist Bruno Jonas nie auf der Bühne der Lach- und Schieß aufgetreten, „der Laden“ war ihm zu klein und daher nicht einträglich genug. Sein Erwerbssinn ist in der Kabarett-Szene bekannt – Bruno macht alles zu Geld. Den Kapitalismus auf der Bühne zu geißeln, ihn aber nach Verlassen der Bühne zu praktizieren, ist eine Kunst, die er beherrscht. Und nun diese Chance: Reizvoller, als in dem kleinen Haus selbst zu spielen, ist es gewiss, das Logo „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ als Einnahme zu verbuchen. Da muss man nur den Markennamen kreativ für Marketing-Zwecke nutzen…

Die Münchner Lach-&Schieß-Ges. ist heute eine GmbH. Ein Kabarett mit „beschränkter Haftung“ – das ist eine feinsinnige Pointe… In besseren Zeiten war sie eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, und die Gesellschafter waren Samy Drechsel, Dieter Hildebrand, Klaus Peter Schreiner, die Geschäftsführerin Catherine Miville, die 4 Ensemblemitglieder und der musikalische Leiter. Alle anfallenden Entscheidungen wurden demokratisch getroffen. In dieser Form existierte die Gesellschaft 45 Jahre, von 1956 bis 2001. Aber nur vier Jahre davon, 1981-84, war Bruno Jonas Ensemblemitglied und Autor auf der Bühne. Allerdings hat er das Haus, als er kam, nicht „gerettet“, wie eine Münchner Zeitung schrieb.

Es ist kein Geheimnis, dass Samy Drechsel unter Bruno Jonas und Werner Schneyder, die ihm bei jeder Gelegenheit ihre intellektuelle Überlegenheit bescheinigten, sehr gelitten hat. Dass die drei Damen, die nacheinander im Jonas- Ensemble tätig waren, von allein das Weite suchten, spricht für den Selbstbehauptungswillen der Frau im deutschen Kabarett. Neben dem misogynen Ego von Bruno Jonas fanden sie einfach nicht ihren Platz.Ab 1984 setzte Bruno Jonas seine Karriere außerhalb der Lach- und Schieß-Ges. fort, blieb ihr aber durch seine Zusammenarbeit mit Dieter Hildebrand beim „Scheibenwischer“ verbunden. Das Ensemble nach seinem Abgang und nach Samy Drechsels Tod 1985 war 9 Jahre lang, bis Mitte der 90er Jahre, künstlerisch wie auch finanziell hoch erfolgreich, dann sorgten die Überflutung des Landes mit Comedy und das radikale Verknappen der Kulturetats in den Tournee-Orten für einen Niedergang des Ensemble- Kabaretts und einen Aufschwung der Alleinunterhalter*innen.

2000 wurde das feste Ensemble der Lach- und Schieß-Ges. vorübergehend aufgelöst. Im Laden traten fortan die unterschiedlichsten Gäste auf. Dann wurde Till Hofmann Geschäftsführer. Er hat den Laden am Leben gehalten – seriös und zuverlässig. Er platzierte die Lach- und Schieß als mittlere Bühne zwischen Vereinsheim und Lustspielhaus, er nutzte die Synergieeffekte und löste so das Problem des „zu kleinen“ Hauses. Während der 20 Jahre, die Till Hofmann die Lach- und Schieß-Ges. leitete, sorgte er dafür, dass es stets ein Lach- und Schieß – Ensemble gab. Alle Künstler erhielten ihre vereinbarte Gage. Und wenn mal wieder ein „Ausverkauft“ erforderlich war, ist Dieter Hildebrandt aufgetreten, doch nicht der Gesellschafter Bruno Jonas. 

Vor eineinhalb Jahren gab Till Hofmann seine Geschäftsführung aus freien Stücken ab, weil es keine Übereinstimmung mehr mit den anderen Gesellschaftern gab. Bruno Jonas unterstellte ihm eine „kreative Buchführung“, hochdeutsch „Betrug“ oder „unlauteres Geschäftsgebaren“, ohne jeden Beweis anzutreten. Im Gegenteil: Zwei von Bruno Jonas selbst bestellte Wirtschaftsprüfer bescheinigten die Korrektheit der Buchführung, Till Hofmann wurde komplett von der Gesellschaft incl. Unterschrift von Bruno Jonas entlastet, und er übergab das Haus mit einem saftigen Plus in der Bilanz.

Nun wollen die verbliebenen Gesellschafter neue Geldgeber finden. Man sei mit der Stadt München im Gespräch, ist zu hören, und der Kulturreferent sagte, er sehe eine besondere Verpflichtung, das Haus zu unterstützen. Samy Drechsel würde sich im Grab umdrehen – sein Kabarett von der Stadt subventioniert – so zerstört man das grundsätzlich oppositionelle Fundament des Kabaretts.
Noch schlimmer wäre allerdings, wenn die Münchner Lach- und Schieß-Ges. eine finanzielle Unterstützung des Medienunternehmers Helmut Markwort (86) annehmen würde. Dieser FDP-Landtags-Grande ist der Mann, der seinerzeit die Verstrickung Dieter Hildebrands mit dem Nazi-Regime ausbuddelte und skandalisierte – so jemanden beschießt ein Kabarettist von der Bühne aus und geht ihm ansonsten aus dem Weg. Die finanzielle Kumpanei mit so einem neoliberalen Schwadroneur ist für’s politische Kabarett total kontraproduktiv und absolut unvorstellbar.

Ich möchte nochmal zurückkommen auf den grünen Robert, unseren Insolvenz-Fachmann Habeck. Der fasste das Geschehen mit dem Satz zusammen: „Das war Psycho­terror ohne Ende. Wir brauchen jetzt alle ’ne Therapie, glaube ich“.
Ja, und zwar schnell, wenn wir uns den peinlichsten Kommentar zur Schlammschlacht der letzten Monate näher betrachten. Er stammt von dem Kleinkünstler A.R., der seine Geistesschwäche mit enormer Formulierungsstärke zu übertünchen weiß: „ Bruno Jonas ist nicht das Problem, sondern die Gesamtlage. Auch sind viele namhafte Künstler abgesprungen, diejenigen, die sich noch auf Dieter Hildebrandt berufen und sich hinter Pseudo-Aktivismus verstecken, spielen da gar nicht mehr.“
Genau – die sollten gefälligst mit dem Abspringen aufhören statt sich auf Hildebrandt zu berufen, und sie sollten sich hinter was Vernünftigem verstecken, wenn sie weiterhin mitspielen wollen.

Fazit von mir: Man sollte die Institution Lach- und Schieß-Ges. nachsichtig lächelnd beerdigen und die Erbschleicher*innen entmündigen. Basta la Musica.

22. Februar 23


AUF IN DEN KRAMPF

1. Semantik – der präzise Weg in den Krieg
Das Szenario ähnelt der Zeit vor 109 Jahren, und als Erkenntnis bleibt uns heute: 70 Jahre Kalter Krieg waren keine schlechte Zeit für Mittelerde. Manche Leute glauben ja, die Erzählung „Der Herr der Ringe“ sei eine Allegorie, und Sauron sei in Wirklichkeit Putin, Saruman sei der oberste Chinese und die Freien Völker seien Nato und EU. Daraus folgt: Der kleine Herr Samweis Gamdschie, der keine Furcht und keinen Zweifel kennt, ist der Hobbit Selenskyj. Dieser moderne Sam quält sich nicht mit Zweifeln und Grübeleien, worin seine Aufgabe bestehen könnte: Er nennt die Russen „Orks“ – untermenschliche, schweineartige, grunzende Wesen, deren Vernichtung die Aufgabe jeder anständigen Kreatur ist. Wenn der stets siegesgewisse Herr Samweis Selenskyj mal nicht in den FS-Nachrichten erscheint, fehlt mir was – zunächst verlangte, forderte und beanspruchte er allgemein Waffen, und dann Panzer, Kampfflugzeuge und Raketen. Seine Hobbit-Gefährten wollen nun auch U-Boote haben, wobei sie nicht ausschließen, sich auch als Atommacht zu etablieren. Dass die Hobbits schon bald den Einsatz von Elben-Krieger-Bodentruppen fordern, ist wahrscheinlich.
Elben zeichnen sich zunächst mal aus durch ihre Körpergröße – sie überragen Menschen, Zwerge und Hobbits. Sie sind zwar unsterblich, können allerdings, wenn sie nicht aufpassen, durch Fremdeinwirkung getötet werden. Vor allem haben Elben als unveränderliche Kennzeichen ihr altersloses Antlitz, eine würdevolle Ausstrahlung sowie eine tiefe Weisheit, und ihr Wille bewirkt, daß Vorstellungen und Wünsche sich erfüllen. Manchmal fällt es schwer, zwischen Elben und ganz normalen indigenen Deutschen einen Unterschied festzustellen…
Zur moralischen Unterstützung der ukrainischen Hobbits erscheint regelmäßig ein Herr Wadepuhl im Fernsehen, ein typisch nordfriesischer Elbe, und der verkündet: „Europa ist im Krieg. Darüber diskutieren wir jetzt miteinander“. Groß diskutiert wird allerdings nicht, die meisten Elben sind mittlerweile sowieso Follower der meinungsbildenden Propaganda: Kriegsminister Pistorius denkt, er befindet sich „In Zeiten, in denen man als Deutschland indirekt an einem Krieg beteiligt ist“, simple Verteidigungspolitiker reden von „Kriegsfähigkeit“ , der ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, fordert „Kriegswirtschaft“ ein, um dem Beschaffungswesen Beine zu machen, einfache Bundestags-Elben propagieren einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, obwohl ein Handelskrieg längst im Gang ist, in der ARD-Fernsehsendung „Wirtschaft vor 8“ spricht die dunkelhaarige Elbe Anja Kohl vom Kriegsjahr 2022, bei jeder Gelegenheit beschwören christdemokratische Elben die „Kriegsfähigkeit“ der Bundeswehr, und der besonders wichtige Verteidigungs-Spezialelbe Roderich Kiesewetter erklärt, es sei richtig, dass „wir gemeinsam (…) kämpfen“, und er twittert begeistert: „Ja. Wir sollten Tornados liefern. Alles, was für den Sieg der Ukraine hilft“. Der Bundesnachrichtendienst (BND) übermittelt der Ukraine militärisch nutzbare Informationen über das russische Militär in der Ukraine: Analysen, beispielsweise zu Kampfkraft und Moral russischer Einheiten, abgehörte Funksprüche, Mobiltelefonate und Satellitenbilder, Bundespräsident Steinmeier mahnt, man müsse „auf Bedrohungen reagieren, die auch auf uns zielen“, und weil wir offenbar alle im Krieg sind, kriegen wir auch überhöhte Rechnungen von den Stadtwerken, wir müssen an sämtlichen Kassen einen Teuerungszuschlag bezahlen, und wir werden von schadhaften Lieferketten gewürgt.
Chefin einer präzisen Semantik in Zeiten des Krieges ist die Hüpfburg-Ballerina Baerbock. Die Außenministerin weiß, Putin führt einen „Hungerkrieg“ und erklärt unmissverständlich: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander.“ Alle Interpretationsversuche zur Abschwächung dieses Satzes sind mittlerweile obsolet, zumal der ukrainische Verteidigungsminister ihr beisprang und sein Land ruckzuck zum „defacto – Mitglied“ der NATO beförderte. Treffender hätte Putin die Situation auch nicht beschreiben können.
Doch was sagt Elbe Scholz – ein Waffen- und Munitionsbeschaffer für die Hobbits im Range eines Bundeskanzlers? Er sagt: „Wir sind nicht im Krieg“. Und er hat Recht: Wir sind nicht im Krieg und wollen es auch nicht sein. Und die Nato-Staaten sind militärisch auch nicht direkt an dem Konflikt beteiligt – sie haben sich nur ein wenig eingemischt, wie das die USA in den letzten Jahrzehnten ziemlich oft getan haben, wenn ihnen Systeme nicht in den Kram passten und ihre Interessen ihnen gefährdet schienen. Oder wüssten Sie einen anderen schlüssigen Grund für den amerikanischen Einmarsch in den Irak außer, dass dort viele amerikanische Familien übel unterdrückt, verfolgt und immer wieder auch umgebracht wurden?
Experten lassen keinen Zweifel daran: „Wir“ sind nicht im Krieg, und ein Professor für Völkerrecht an der Universität Bonn klärt definitiv auf: „Nur durch die aktive und koordinierte Teilnahme an Kampfhandlungen durch eigene Streitkräfte wird ein Staat Kriegspartei“, und „eine Lieferung von Gerät und Waffensystem alleine wäre keine Beteiligung am Krieg, sondern lediglich eine Unterstützung und (…) damit völkerrechtlich legitim…“ Also: Wer behauptet, „wir“ seien im Krieg, weiß nicht, wovon er/sie redet. Zum besseren Verständnis lesen Sie:
„Im Alter von vier Jahren hatte der Junge schon viel vom Krieg gelernt. Er wusste, dass Sirenengeheul Gefahr bedeutet, dass man nicht weinen soll, wenn man nachts in den Keller muss, wo ein strenger Luftschutzwart alle Ausweise kontrollierte. Er hatte gelernt, dass Flugzeuge Bomben abwerfen, dass Häuser leicht kaputtgehen, dass Straßen sehr gut brennen, dass tote Menschen nicht aussehen wie schlafende Menschen. Er wusste nicht, was ein Feuerwerk ist, aber er wusste, dass ein illuminierter Himmel nichts Gutes bedeutet: Luftangriffe, Flakfeuer und laute Explosionen. Er hatte auf der Straße gestanden und zugesehen, wie Mutti und Tante versuchten, den Dachstuhl und das Obergeschoss des Hauses, in dem sie wohnten, zu löschen, weil eine Brandbombe eingeschlagen hatte. Er wusste, dass Zentralheizungen gefährlich waren, weil sie platzen konnten und dann die Leute verbrühten, und er ahnte, was »Phosphorkanister« waren, weil sie erwachsene Männer dazu brachten, sich schreiend auf der Straße zu wälzen. Er hatte auch gesehen, dass auf der Straße neben einer sich krümmenden und stöhnenden Frau ein Baby lag, das den von Bomben erzeugten Luftdruck nicht überlebt hatte…“
Nein, noch sind „wir“ nicht im Krieg… Und so schreckliche Dinge passieren uns auch noch nicht, aber den Ukrainern passieren sie Tag für Tag, übrigens nicht nur den ukrainischen Ukrainern, sondern auch den russischen Ukrainern. Wer hier bei uns im Elbenland leichtfertig Kriegsgeschwätz oder sogar Kriegsgeschrei verbreitet, zeigt sich nicht solidarisch, sondern verhöhnt diejenigen, die den Krieg tatsächlich erleben und überleben wollen.

2. Krieg vorbereiten und gleichzeitig verhindern – das klappt nicht
Die FAZ hat vor einiger Zeit einen begeisterten Artikel über polnische Wehrsportgruppen publiziert. Darin zitiert ein „Robert, der Bauingenieur“ einen Satz, den die NATO gern für sich reklamiert: „Si vis pacem, para bellum“ – auf deutsch: Wenn du Frieden willst, rüste für den Krieg.“ Der römische Anwalt Cicero (106 – 43 v.Chr.) soll’s gesagt haben. Cicero war überzeugter Republikaner und wollte die Gefahr, die der römischen Republik durch Antonius drohte, dadurch abwenden, dass er sich auf die Seite Octavians, des anderen Oligarchen, schlug. Es nutzte ihm nichts: die Milizen des Octavian, der sich dann später zum Kaiser Augustus krönte, ermordeten ihn. Cicero wurde also auf Geheiß eben jener Kräfte erschlagen, die diesen Satz für sich beanspruchen und ihn als Monstranz vor sich hertragen. Wer wirklich den Frieden will, dem bleibt dieser Satz im Hals stecken, denn der Vater aller Dinge ist weder Krieg noch Kampf, und erst recht nicht Krampf. Vielmehr ist Frieden, La Paix, Pax, Eirene, die Mutter aller Dinge.
Krampf aber zwingt offenbar Politik, Militär und Medien, die Eskalation des Krieges in der Ukraine immer weiter voran zu treiben: Da muss man mal feststellen, dass weder die Lieferung von militärischem Gerät und die seit Jahren praktizierte Ausbildung ukrainischer Soldaten durch die USA und Großbritannien dazu geführt haben, diesen Krieg zu vermeiden, noch konnten in der jüngeren Geschichte Sanktionen einen Krieg verhindern oder sogar beenden. Die Schwächung der Wirtschaft eines gegnerischen Landes durch Sanktionen ruiniert nicht unbedingt auch dessen politisches Regime – das lässt sich in Syrien beobachten, in Nordkorea und im Iran, wo sich die Mullahs weiterhin an der Macht festkrallen, ganz zu schweigen von Cuba, dessen Regierung sich trotz aller Sanktionen schon seit 1960 gegen die USA behauptet.
Weiß man das nicht in den Führungsetagen der Bundesrepublik? Immer neue Sanktionen, immer neuere und schwerere Waffen, Reiseverbote, kulturelle Zensurmaßnahmen – wohin soll das führen?
Was wollen diese Dummköpfe? Etwa den Russen den Donbas oder die Krim wieder entreißen? Wollen sie mit der Lieferung der Panzer*innen Verhandlungsbereitschaft erreichen? Oder den Krieg verlängern? Wem nützt diese Politik? Will man Russland vielleicht ganz und gar besiegen? Ein sinnvolles Gesamt-Konzept wurde nirgends publiziert, aber ohne ein solches sind die immensen Waffenlieferungen nichts anderes als Militarismus pur. Und der bedeutet die weitere Zerstörung der Ukraine. Das Land wird dem Erdboden gleichgemacht. Das kann doch auch für Herrn Selensky keine Option sein, oder?
Ein militärischer Sieg der Ukraine ist kaum zu erwarten. Die Alternative sind Verhandlungen. Das wird in der uniformen Meinungsmache der deutschen Leitmedien so gut wie gar nicht publiziert. Doch das Argument, Putin wolle nicht verhandeln, ist unglaubwürdig. Schließlich wurde auch das Getreideabkommen von Russen und Ukrainern verhandelt. Klar ist – solange das Regime Putin die Anerkennung seiner völkerrechtswidrigen Annexion zur Voraussetzung für Friedensverhandlungen macht, kann es diese nicht geben. Und solange die Regierung Selenskyj die Rückeroberung des annektierten Landes als Voraussetzung benennt, kann es ebenfalls keine geben. Die Lösung läge in Friedensverhandlungen auf neutralem Boden ohne Vorbedingungen. Die Initiative dafür müssten die Präsidenten in Washington und Moskau starten, denn die sind – das ist jedem ausgeschlafenen Verschwörungstheoretiker klar – die Protagonisten dieses Stellvertreter-Krieges zwischen den USA und Russland. Offenkundig geht es dabei doch um ganz konkrete geopolitische Interessen, zum Beispiel das Schwarze Meer. Die Region um das Schwarze Meer ist für die Russen und ihre Schwarzmeerflotte so wichtig wie die Karibik oder die Region um Panama für die USA und so wichtig wie das südchinesische Meer und Taiwan für China… Stellvertreterkrieg? Ja klar:
Deutsche Außenpolitik ist zur Zeit in erster Linie Militärpolitik – oder zumindest eine Ergänzung zur Militärpolitik, denn abgesehen von allen Solidaritätsbekundungen bezahlen wir die Ukrainer dafür, dass sie Krieg gegen die Russen führen, weil Deutschlands Freiheit, wie’s aus berufenem Munde zu hören war, in der Ukraine verteidigt wird. Dabei handelt es sich um ein altbekanntes Abhängigkeitsverhältnis: Herrscher engagieren Söldner, wenn sie nicht genug eigene Soldaten haben oder ihre eigenen schonen wollen. Dafür fand man den treffenden Begriff des „Stellvertreterkriegs“, der aber nur notdürftig verschleiert, was wirklich Sache ist: Krieg gegen Bezahlung. Die Ukraine liefert das Menschenmaterial und von „uns“ wird alles, was sonst noch wichtig ist – von der Aufklärung über die Planung bis zur Bewaffnung – beigesteuert. Die im Sold Stehenden werden genauso lange kämpfen, wie die Herrschaften sie alimentieren…
Ein kleiner Tip für die Mächtigen, falls sie eines Tages doch mal Friedensverhandlungen anstrengen: Einfach die Menschen im Donbas und auf der Krim fragen, zu wem sie gehören wollen. Danach könnte man die territoriale Integrität der Ukraine mit westlichen Garantien wiederherstellen und auch den Russen Sicherheitsgarantien geben, zum Beispiel keine Nato-Mitgliedschaft für die Ukraine. Es ist übrigens lachhaft, anzunehmen, die Ukraine hätte da was mitzuentscheiden – da werden mir Herr Putin und Herr Biden zweifellos zustimmen…
Und die Bundesrepublik? Deren aktuelle Außenpolitik ist nicht mehr zu ertragen. Sie ist fokussiert auf Waffen und Waffengänge. Um dafür aber beim Wähler und der Wählerin Sympathiepunkte einzusacken, besteigen Deutschlands militante Protagonisten in Aachen bei der Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ sogar die Bütt, was schon Einiges über ihre geistige Disposition verrät: „Von Kopf bis Fuß ganz formidabel, ohne Zweifel ministrabel, in jeder Talkshow ein Gewinn, weil ich die Allergeilste bin“, verkündete dort zum Beispiel, als Vampir verkleidet, die gewiss streitbare, aber russophobe Frau Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Dame hält die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland für möglich – „im Spannungs- oder Verteidigungsfall kann sie wieder aktiviert werden“, sagt sie – weil sie selbstverständlich lieber junge Leute an die Front schickt, als selbst in den Schützengraben zu springen. Dann Lars Klingbeil: ein halber Bundesvorsitzender der SPD, der bis 2017 den Präsidien der Lobbyvereine „Die Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik e. V.“ und „Förderkreis Deutsches Heer e.V.“ angehörte – sein Wahlkreis grenzt an einen Aufrüstungshotspot, der viele Menschen beschäftigt, die Rheinmetall Waffe Munition GmbH, Unterlüß. Und an der Spitze die grüne Kanone Annalena Charlotte Alma Baerbock: Ich war ja froh, als endlich mal eine Frau das Außenministerium in Deutschland übernahm, aber mittlerweile weiß ich: es reicht nicht, Kriegsrhetorik zu betreiben, Waffenbrüderschaft zu versprechen, Geldsegen zu spenden, mit Helm und Splitterschutzweste durch den Matsch der Ukraine zu stöckeln und Humbug zu verbreiten, wonach deutsche Waffen in der Ukraine Menschenleben retten. Stellt sich die Dame überhaupt nicht die Frage, wie eine europäische Ordnung unter Einbeziehung Russlands perspektivisch aussehen soll? Wenn doch, dürfte sie durchaus mal einen Vorschlag machen – Russland wird ja nicht einfach so von der Landkarte verschwinden…
Einstweilen können wir davon ausgehen: Die Aktienkurse von Rheinmetall und ähnlichen Frieden-schaffenden Firmen werden weiter steigen, die Rüstungsgewinne gehen durch die Decke, die deutschen Bürgerinnen werden mit dem bisschen Inflation locker fertig, und es sterben nur Russen und Ukrainer: das ist doch der Traum für alle Kriegsprofiteure. Der sinnfreie Aktionismus in der Politik muss endlich beendet werden. Sonst wachen wir eines Morgens auf und sind mitten im Dritten Weltkrieg. Und deshalb ist die alles entscheidende Frage: Wie will man einen Konflikt mit der stärksten Nuklearmacht der Welt durchstehen, ohne in einen Dritten Weltkrieg zu gehen, wenn man so weitermacht wie bisher? Es wäre sehr begrüßenswert, wenn diesbezügliche Überlegungen in den Köpfen der Politikerinnen, Journalisten und Journalistinnen Raum greifen würden. Aber leider – Pickelhauben sitzen besonders fest auf Holzköpfen.

3. Sabotage – eine Erfolgsstory
Im Januar 2022 erklärte die US-Außenstaatssekretärin Victoria Nuland: „Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 auf die eine oder andere Weise nicht vorankommen.“
Einige Tage später – Olaf Scholz stand mit unbewegtem Gesichtsausdruck dabei – gab es einen Wortwechsel zwischen einer Reporterin und USA-Präsident Joe Biden. Der sagte: „Wenn Russland einmarschiert … dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.“
Reporterin: „Aber wie wollen Sie das genau machen, da… das Projekt unter deutscher Kontrolle ist?“
Biden: „Ich verspreche Ihnen, dass wir in der Lage sein werden, das zu tun.“
Nord Stream 1 und 2 waren zwei Projekte der russischen Firma Gazprom, die das Ziel hatten, Gaslieferungen nicht mehr durch die Ukraine laufen zu lassen, sondern sie über den Meeresboden der Ostsee nach Deutschland zu transportieren. Nord Stream 1 wurde 2011 in Betrieb genommen, Nord Stream 2 sollte eigentlich 2022 an den Start gehen, wurde aber nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine gestoppt.
Die Aussage des US-Präsidenten konnte man entweder als Versprechen werten, auf das sich die USA-Verbündeten verlassen konnten, oder als die übliche heiße Luft in Politiker-Reden.
Am 26. September 2022 wurden mit mehreren Sprengungen Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt. Ob es sich lohnt, sie eines Tages zu reparieren, ist sehr fraglich.
Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anschläge wurden seitens Deutschlands und der EU sehr vollmundig massive Sanktionen gegen die Verursacher dieser Terrorakte angekündigt, und der NATO-Rat erklärte, „alle derzeit verfügbaren Informationen“ deuteten darauf hin, dass die Lecks das Ergebnis „vorsätzlicher, rücksichtsloser und unverantwortlicher Sabotageakte“ seien. Die 30 Mitgliedstaaten des Militärbündnisses drohten mit einer „gemeinsamen und entschlossenen Reaktion“ auf jeden „vorsätzlichen Angriff auf die kritische Infrastruktur der Bündnispartner“. Aha, da müssen sich die Übeltäter aber warm anziehen…
Politiker und führende deutschen Medien zeigten sofort auf Moskau: Der Russe war’s! Es hieß, Wladimir Putin wolle mit der Zerstörung der Pipelines den Energiefluss nach Europa abwürgen, für Unsicherheit und Chaos auf dem Energiemarkt sorgen und die Länder dazu bringen, ihre Unterstützung für die Ukraine einzustellen.
Die Tagesschau zitiert den norwegischen Militärwissenschaftler Und Marineoffizier Tor Ivar Strömmen: „Ich sehe nur einen möglichen Akteur, und das ist Russland.“
Das ZDF ließ Fregattenkapitän Göran Swistek, Experte für maritime Sicherheit, die Situation einschätzen. Er meinte, die verwendete Menge an Explosivstoffen sei nicht frei auf dem Markt verfügbar. Die würden wahrscheinlich militärischer Natur sein. Insgesamt liege der Schwerpunkt klar auf Russland. Wahrscheinlich sei, dass die explosiven Stoffe mithilfe von Drohnen oder unbemannten Unterwassersystemen angebracht wurden. Russland habe die dafür benötigten Geräte. Russland habe auch ein staatliches Forschungsprogramm in der Unterwasserwelt. Außerdem seien russische Drohnen schon häufig recht nah an Unterwasser-Kommunikationskabeln gesichtet worden.
Ursula von der Leyen machte der Welt klar: „Jede absichtliche Störung der aktiven europäischen Energie-Infrastruktur ist inakzeptabel und führt zu einer schwerstmöglichen Reaktion.“ Wen sie verdächtigt, sagte sie zwar nicht, aber niemand zweifelte daran, dass ihre Drohung Generalbösewicht Putin galt.
Auch polnische Politiker vermuteten öffentlich, dass die Russen dahinter stecken.
Mychailo Podoljak, ein Selenskyj-Berater, erhob Anklage: „Das großflächige ‚Gasleck‘ an Nord Stream 1 ist nichts anderes als ein von Russland geplanter Terroranschlag und ein Akt der Aggression gegenüber der EU.“ Beweise dafür hält er bislang zurück.
In vorderster Front marschierte auch wieder die unvermeidliche Marie-Agnes Strack-Zimmermann: „Je länger und brutaler der russische Überfall auf die Ukraine andauert, desto größer ist auch die Gefahr, dass es zu solch enthemmten Anschlägen kommt“, sagte sie, „nicht ausgeschlossen ist, dass sie von Russland gelenkt werden, um unsere Märkte zu erschüttern.“
Auch der Sicherheitsexperte Johannes Peters hatte Russland im Visier: „Das wirkt vordergründig natürlich etwas widersinnig, die eigenen Pipelines zu zerstören“, sagte der Experte vom Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel im ARD-Morgenmagazin, es gebe aber durchaus gute Gründe – z.B. ein „starkes Signal“ an Europa zu senden, vor allem an Deutschland und Polen, dass man dasselbe auch mit Pipelines machen könnte, die für die Versorgungssicherheit deutlich wichtiger seien, etwa die Pipelines aus Norwegen: „Also seid euch mal nicht so sicher, dass ihr für den Winter gut aufgestellt seid und dass ihr in der Lage seid, unser Gas zu kompensieren“, das sei die Botschaft.
Und schließlich hielten auch die Experten in der Abteilung für Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel eine Verantwortung Russlands für aktuell am wahrscheinlichsten.
Nur schwachsinnige Verschwörungsfans favorisierten nicht Russland, sondern die USA als Attentäter.
Dafür sprechen allerdings einige Indizien:
Victoria Nuland, die schon erwähnte Unterstaatssekretärin der US-Regierung, sagte bei einer Anhörung im US-Kongress: „Senator Cruz, genau wie Sie bin ich, und ich denke, auch die Regierung, sehr erfreut zu wissen, dass Nord Stream 2 jetzt, wie Sie gerne sagen, ein Stück Metall auf dem Meeresgrund ist.“
Und in einem inzwischen gelöschten Tweet dankte der frühere polnische Außenminister Radoslaw Sikorski den USA für die Zerstörung der Pipelines. Fraglich, ob sich Präsident Biden darüber gefreut hat…
Inspizieren wir mal die Gewässer vor der dänischen Insel Bornholm:
Die Ostsee ist hier so dicht und lückenlos bis in alle Tiefen überwacht wie kein Meer sonst auf dieser Erde. Hier belauert jeder jeden. Überall sind Sensoren, Aufklärungsflüge und Drohnen. Da schwimmt kein Dorsch unbeobachtet herum, dessen Flossenschlag nicht von einem Unterwassermikrophon aufgenommen wird. Hier belauern sich der „Westen“ und die Russische Föderation in Sichtweite. Wäre in dem relevanten Zeitraum irgendetwas aus Russland in die Nähe von Bornholm gekommen, hätte die westlichen Medien uns das lautstark mitgeteilt. Kein U-Boot kann unbemerkt in diese Gewässer eindringen, kein Schiff an die Position des Attentats gelangen, ohne registriert zu werden. Und auch die härtesten russischen Kampftaucher würden es nicht schaffen, mitsamt dem benötigten Material von der russischen Küste bis nach Bornholm zu tauchen und dort die Pipelines zu sprengen. Doch es war ein Anschlag. Laut t-online.de/nachrichten wurden insgesamt vier Löcher festgestellt und nach bisherigem Ermittlungsstand rissen mindestens zwei Detonationen die Röhren auf. Aha – zwei Detonationen, vier Löcher. Da braucht man Spezialisten. Und um in siebzig Meter Tiefe so eine Sprengung durchzuführen, braucht man Kampftaucher oder Marinetaucher und U-Boote, die diese Spezialisten zum Ziel bringen und zurück. Dergl. haben eigentlich nur Streitkräfte von Staaten zur Verfügung. Wer kommt in Frage? Die Schweiz möchte ich ausschließen, Frankreich und China auch, Polen und Großbritannien – nun, vielleicht. Schweden und Dänemark haben angeblich „weitergehende“ Infos, rücken sie aber nicht raus. Vielleicht hat Lieferando die benötigten Geldkoffer nicht beim richtigen Adressaten in Brüssel abgegeben, oder sie waren nicht voluminös genug…
In der Zeit vor der Beschädigung der Pipelines waren 47 US-Kriegsschiffe in der Ostsee unterwegs. Sie operieren hier regelmäßig als Teil der Nato, und im Rahmen von NATO-Übungen trainierten sie auch den Umgang mit Unterwasserdrohnen. Und zwar genau da, wo jetzt die Lecks sind in den Pipelines. Beteiligt war auch eine Spezialeinheit für Kampfmittelbeseitigung und Unterwasseroperationen der US-Marines, also genau die Leute, die die erste Adresse für einen Sabotageakt an einer Unterwasserpipeline sind, und die Vermutung, dass US-amerikanische Navy Seals-Kampftaucher diese Übung direkt um und über den Pipelines dazu benutzt haben könnten, die Sprengsätze an den Rohren anzubringen, um sie dann zu einem späteren, geeigneten Zeitpunkt zu sprengen, ist sicher nicht allzu verwegen.
Offiziell werden die USA natürlich nicht beschuldigt. Jedenfalls nicht in Deutschland. Aber inzwischen ist es doch sehr still geworden um das Thema. ARD und ZDF sowie den führenden Zeitungen ist es wohl peinlich, darüber zu spekulieren, obwohl das doch bei anderen Gelegenheiten ihre Lieblingsbeschäftigung ist… In den USA selbst jedoch schreiben Zeitungen ganz offen darüber, und der Ökonom Jeffrey Sachs und der ehemalige Pentagon-Berater Douglas Macgregor kommen auch zu dem Schluss, dass die USA sehr wahrscheinlich hinter dem Anschlag stecken…
Wir spekulieren: Würde der US-Präsident es riskieren, dem strategisch wichtigen Verbündeten Deutschland derart grob auf die Füße zu treten, zumal dieser eh schon bereit war, die russischen Importe auf Null zu bringen? Um später dann die Dokumente über die Erteilung und die Ausführung des Befehls in seiner Hobbywerkstatt oder unter seinem Bett zu verstecken? Unwahrscheinlich.
Also Polen? Die haben am lautesten Beifall geklatscht, aber wenn es herauskommt, dass sie es waren, riskieren sie eine Menge empfindlicher Nachteile in der EU. Auch unwahrscheinlich. Aber Norwegen? Ein ernstzunehmender Wettbewerber: Von Norwegen führen Europipe I und II nach Deutschland. Norwegen deckt 30 Prozent des deutschen Bedarfs an Erdgas. Norwegen weiß von nix und schweigt… 
Und Großbritannien? Dort regierte zur Zeit der Anschläge noch der Hasardeur Boris Johnson. Dem war alles zuzutrauen, und technisch verfügen die Engländer auch über das notwendige Know How. Aber sie könnten so ein Unternehmen nicht durchführen, ohne dass es dem US-Präsidenten zugetragen wird. Hält der nun seine schützende Hand über die britische Regierung? Dann wäre das Weiße Haus Mittäter…
Noch eine Option: Hat Deutschland etwa selbst…? Man weiß es nicht.
Fakt ist: Die USA zwingen uns ihr Flüssiggas auf. Die Milliarden Euro, die bis zum letzten Jahr für Energielieferungen nach Russland gingen, sollen jetzt in die USA fließen. Da amerikanisches LNG deutlich teurer als leitungsgebundenes Erdgas ist, hat dies natürlich Auswirkungen auf die europäischen Energiepreise. Sowohl Gas wie auch Strom sind in den USA um den Faktor zehn preiswerter als in Deutschland, und die USA nutzen diese Preisvorteile, um deutsche Unternehmen zur Verlagerung ihrer Produktionskapazitäten über den Atlantik zu bewegen. Da zieht ein Wirtschaftskrieg heran – wenn er nicht schon evident ist. Die Sprengung der Ostseepipelines passt also ins Bild!
Der deutsche Staatssekretär Dr. Patrick Graichen sagte im Deutschen Bundestag: „Der Bundesregierung (…) liegen keine belastbaren Informationen zu den möglichen Urhebern des Angriffs vor“. 
Auf die Frage, welche russischen Schiffe und Truppenteile im relevanten Zeitraum in der fraglichen Gegend geortet wurden, antwortete die  Staatssekretärin Susanne Baumann: „Die Beantwortung der Fragen zu Schiffspositionen würde Rückschlüsse auf die Aufklärungsfähigkeiten der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bündnispartner zulassen. Die erbetenen Informationen berühren derart besonders schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht wesentlich überwiegt“.
Weitere Informationen blieben aus, ein Bekanntwerden von Informationen würde als Störung der wechselseitigen Vertrauensgrundlage gewertet werden, hieß es…
Vermutlich werden wir keine echte Aufklärung erleben. Wahrscheinlich war es, wie immer, doch der böse Russe. Gerüchteweise war zu hören, man habe am Tatort in der Ostsee den Personalausweis eines Wladimir P. gefunden. Seitdem wünsche ich mir zur Bewältigung dieses Polit-Thrillers einen Meister wie Eric Ambler: Der Plot ist spannend, die Schurken haben das Format, zur Hölle zu fahren.
Der deutsche Bundeskanzler bezeichnete die Zerstörungen an den Gas-Pipelines als „bedrückend“. Sie seien ein Zeichen dafür, „dass wir uns wirklich in einer sehr ernsten Lage befinden und deshalb das Richtige tun müssen.“ Danach verfiel er in sein offizielles Schweigen. Ich denke, er weiß, wer seinen Pipelines ein Ende gesetzt hat (Who brought an end to it).
Nur Anton Hofreiter, die grüne Volksvertreter-Attrappe, kommt mal wieder aus dem Muspott. Er erklärte: „Demokratien greifen einander nicht an“.

7. Februar 23


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