Endlich mal was Positives

Es kommt alles wieder in Ordnung, Leute, wir biegen alles, was uns zur Zeit bekümmert, wieder hin. Alles. Dass die Mineralölkonzerne den Tankrabatt niemals an die Verbraucher weitergeben würden, wusste jeder, der hin und wieder eine Tankstelle aufsucht – nur unser Wirtschaftsminister nicht. Offenbar ist er mit unserem politischen System überfordert. Unser Finanzminister hingegen wusste gleich, dass der Tankrabatt ausschließlich der Wirtschaft zugute kommen würde, deswegen will er ihn auch nicht mittels einer Übergewinnsteuer von den Profiteuren des Russland-Ukraine-Krieges wieder einkassieren. Und unser Kanzler glaubt, dass den meisten Menschen der Spritpreis sowieso egal ist: Jüngere Mitbürger werden sich vom gestiegenen Mindestlohn ein neues Fahrrad anschaffen, um das Klima zu verbessern und den Ausbau der Radwege zu fördern, und ältere Menschen können sich mit Hilfe der Grundsicherung in aller Regel ein E-Bike oder sogar ein batteriebetriebenes Auto leisten. Und das brauchen sie auch: Wenn so ein alter Mensch beispielsweise von Frechenrieden nach Bedernau will, das sind etwa 20 Kilometer von Oberschwaben ins Unterallgäu, dann kann er sich das 9-€-Ticket an den Hintern klatschen, wenn er kein Auto hat. In diesem strukturschwachen Gebiet wie auch in anderen vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Flächen wartet man ja vergeblich auf eine Mitfahrgelegenheit im ÖPNV, weil es nirgends eine Haltestelle gibt…. Also, ohne Auto keine Fußpflege… Und die nächste Metropolregion wartet auch sehnsüchtig auf den Besuch aus dem Umland, den unser Landwirtschaftsminister zuverlässig mit reichlich fließenden Agrar-Subventionen und einem stabilen Milchpfennig unterstützt, um so die allgemein etwas lasche Kauflaune in den not-leidenden Einkaufsmeilen anzukurbeln. Die Parkscheingebühren machen den Hackbraten in der Rathaus-Kantine erschwinglich, was wiederum den Handel ermutigt, die Löhne und Gehälter der Beschäftigten anzuheben, wodurch der allseits beklagte Personalmangel ein Ende hat. Das anschwellende Konsumbedürfnis hilft sogar der trostlos verarmten Gastronomie und den durch Corona pleite gegangenen Tattoo-Läden, denn die Steuerrückzahlungen ermuntern die Menschen auch zum Saufen und zu exzessiver Fassadenkosmetik. Wieso Steuerrückzahlungen? Na, ist doch klar: Von unserem Sondervermögen! Steuerrückzahlungen für alle, die davon leben müssen, was sie wirklich verdienen. (Ja, das ist doppeldeutig, aber das ist normal bei unserer Steuergesetzgebung). Trotzdem: Dank sei unseren Sozialdemokraten, die nach über 100 Jahren endlich mal wieder ihren Patriotismus auf den Markt geworfen und unserem Land ein paar anständige Kriegskredite bewilligt haben. Ein 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungsprogramm! Dabei geht es selbstverständlich nicht um Angriffswaffen für einen Angriffskrieg, sondern um Verteidigungswaffen für einen eventuellen Verteidigungskrieg, es geht um die strukturelle Nichtangriffsfähigkeit Deutschlands. Unsere Regierung kennt und beherzigt schließlich das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere den Artikel 26, wo es heißt: „ Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen“. Dieses kluge Gesetz findet seine Bestätigung in einem Video, das vermutlich ein subversiver Pazifist aus der Bildzeitungs-Redaktion auf YouTube gepostet hat: Es zeigt, irgendwo in der Ukraine, einen Konvoi russischer Panzer, und aus heiterem Himmel schlagen Geschosse in die Panzer ein. Man sieht nicht, wer sie von wo abgefeuert hat. Kein ukrainischer Panzer, keine Haubitze weit und breit. Die noch nicht getroffenen russischen Panzer sind wehrlos, sie wissen nicht, auf wen sie wohin schießen sollen, also drehen sie um und hauen ab, so schnell sie können. Also, wenn man denn unbedingt Krieg führen will – dieses Video ist eine Demonstration intelligenter, sehr erfolgreicher Kriegsführung mit modernen Abwehrwaffen. Ich bin ganz sicher, unsere Verteidigungsministerin wird unter Einsatz ihrer kompletten Frauenpower alsbald ihr Sondervermögen nutzen, um möglichst viele anti-tank guided missiles, also Panzerabwehrlenkwaffen, die im Flug auf das Ziel gelenkt werden, für unsere uniformierten Jungs bereitzustellen. Manche dieser Dinger können ja auch von der Schulter eines Kämpfers, versteckt hinter einer Hecke, am Waldrand oder auf dem Dach hinter dem Schornstein, abgefeuert werden. Noch erfolgreicher als Startplattform sind aber selbstverständlich Hubschrauber und Drohnen. Die Lenkbarkeit ermöglicht auch neue Taktiken wie das „Top-Attack“-System, bei dem die Rakete in einem Bogen die relativ schwach gepanzerte Panzeroberseite ansteuert. Außerdem sind diese Waffen neben dem Boden-Boden-Einsatz auch als Luft-Boden- und als Boden-Luft-Waffe zu verwenden. Wenn wir uns von diesen intelligenten Dingern mehr anschaffen, als der Russe Panzer, Flugzeuge und andere Angriffswaffen besitzt, dann soll er mal kommen – da muss er schon seine Atomwaffen einsetzen, sonst sind wir praktisch unangreifbar….
Außerdem sei der Hinweis gestattet: Diese Abwehrsysteme sind wesentlich preiswerter als das antiquierte Kriegsgerät aus dem letzten Jahrhundert, mit dem Hitler schon die Luftschlacht über England, den U-Boot-Krieg im Atlantik, die Panzerschlacht im Kursker Bogen und den Häuserkampf um Berlin verloren hat.
Die unverzügliche Anschaffung von Panzerabwehrlenkraketen, Antipanzerlenkwaffen oder Antipanzerraketen bedeutet für uns, die wir vom Scheuerlappengeruch des Lebens so arg gebeutelt sind: Überschüsse aus dem Rüstungshaushalt machen es möglich, dass unser Parteien-Staat endlich mal genügend Kohle hat, um überall, wo’s angebracht ist, Hilfe spendend einzugreifen. Zum Beispiel kann er sich die faulen Ausreden sparen und frierenden Rentnern eine ordentliche Heizkostenpauschale zahlen.
Wem das alles zu umständlich oder auch zu unsicher ist, der halte sich an die Regierende Bürgermeisterin unserer Hauptstadt – die wies uns einen großartigen Weg, Frieden zu schaffen mit ungewöhnlichen Waffen, als sie sagte:
„Berlin steht an der Seite der Ukraine. Mit der Beleuchtung des Brandenburger Tors senden wir ein deutliches Signal, gemeinsam mit weiteren europäischen Städten.“
Als der böse Mann im Kreml diese schreckerregende Drohung der Berliner Signalsenderin hörte, soll er sich vor Angst in die Hosen gemacht haben.

15. Juni 22


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