ES REICHT

Es nervt. 24 Stunden am Tag, wenn nicht Pandemie, dann Ukraine. Ununterbrochenes sinnloses Kriegs-Getöse. Wie eine Schulhofprügelei von sozial geschädigten, gewaltbereiten und intellektuell brutal unterversorgten Vollidioten. Diese ewigen Wiederholungen – allmählich wird’s langweilig:

1960 wird Kuba von den USA wegen sozialistischer Umtriebe mit einem Handels-, Wirtschafts- und Finanzembargo abgestraft, um „dem kubanischen Volk zu Demokratie zu verhelfen“ (Cuban Democracy Act). Diesen gemeingefährlichen und menschenfeindlichen Blockade-Quatsch veranstalten die Amerikaner bis heute.

1962 liefert Russland Raketen nach Kuba. Das macht den Amerikanern schreckliche Angst. Obwohl zwischen Havanna und Washington etwa 2000 km liegen, droht der amerikanische Präsident den Russen mit einem gepfefferten Ultimatum: Entweder ihr baut eure Raketen wieder ab oder wir machen das. Der russische Regierungschef will wegen Kuba keinen Krieg und gibt nach. Das war vernünftig….

Jetzt, 60 Jahre später, findet ein vergleichbares Szenario statt: Nur dieses Mal stationieren die USA und die Nato ihre Raketen gerade mal 50 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, und sie erklären, sich davon bedroht zu fühlen sei ja wohl übertrieben – jede Rakete trüge schließlich auch eine Friedensglocke in sich… Aber die Russen fühlen sich nunmal bedroht von der „verstärkten vorgeschobenen Präsenz“ der Nato, von multinationalen „Battlegroups“ in Estland, Lettland und Litauen, von der „European Reassurance Inititative“, also den Kampfpanzern, Schützenpanzern und der schweren Artillerie an der Nato-Ostflanke, sowie von der „Operation Atlantic Resolve“, mit der die Vereinigten Staaten Soldaten und Waffen der 3. US-Panzerbrigade auch in Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien rotieren lassen. Kein Wunder, dass der russische Präsident den Rückzug dieser Armada von den russischen Grenzen verlangt, dass er damit droht, sein Land, wenn nötig, militärisch zu verteidigen, und dass er sich nicht vorschreiben lässt, wo seine Armee im eigenen Land ihre Manöver abhalten darf. Er kann ja auch schlecht seine russischen Truppen aus Russland abziehen…

Vielleicht würde der amerikanische Regierungschef dem sogar zustimmen, aber der muss wegen der Wahlen zum Repräsentantenhaus Ende 2022 als unnachgiebiger Terminator auftreten, sonst machen ihn die republikanischen Falken fertig. Da stellt sich nun die Frage: Wer ist an Krieg interessiert?

Die NATO ist in der Ukraine, aber die Ukraine ist nicht in der NATO. Da kommt sie aufgrund alter Vereinbarungen wahrscheinlich auch nicht rein, da kann der NATO-Generalsekretär, ein Hauspapagei des Weißen Hauses, noch so oft verkünden, die NATO könne so viele Partner aufnehmen, wie sie will.

Der Verdacht liegt nahe: Der Westen schürt die Aggressionen, weil Rüstung Kriege braucht, und nach dem Wegfall von Afghanistan und Irak bietet die Ukraine ein ausgezeichnetes Terrain für Waffen-Handel und -Erprobung.

Zum Glück servieren ARD und ZDF uns Bundesbürgern tagtäglich und völlig korrekt die Wahrheit aus dem Reich des Bösen: Was für ein finsterer Schurke der russische Präsident ist, und wie entschlossen die NATO an der russischen Grenze die Friedensglocken läutet. Zum Beweis ihrer Kampfbereitschaft haben unsere deutschen Politiker*innen sogar ihren Marine-Chef ruckzuck gefeuert, weil der den befürchteten Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine als „Nonsens“ bezeichnete und meinte „die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen“. Diese Sätze sind zwar richtig, gelten aber als enorm „irritierend“, weil die westliche Politik es der Krim verboten hat, dort zu sein, wo sie laut Volksentscheid sein will. Die deutsche Kriegsministerin findet zu all dem klare sozialdemokratische Worte: „Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen. Die für die Aggression Verantwortlichen müssen persönliche Konsequenzen spüren, zum Beispiel, dass sie nicht mehr zum Shoppen auf die Pariser Champs Élysées reisen können!“ Man stelle sich nur mal vor, Russlands Außenminister Lawrow würde erklären, man müsse jetzt mal Scholz und sein Umfeld ins Visier nehmen – da kann man sich die Reaktion der Bildzeitung schon vorstellen: Lawrow will deutschen Bundeskanzler abknallen! Auch die junge Frau aus der ehemaligen Pazifistenpartei, die zur Zeit das deutsche Außenamt bellizistisch lispelnd aufmischt, droht den Russen mit Sanktionen. Wie genau die aussehen sollen, erfährt man nicht. Vielleicht Russland mit einer Blockade à la Kuba quälen (Russian Democracy Act)? Oder muss das gesamte Kreml-Personal ohne Abendessen ins Bett? Gibt’s ein Fernsehverbot und keinen Rubel Taschengeld? Noch wissen wir es nicht.
Andererseits plädieren die beiden knallharten Ministerinnen dafür, die angespannte Lage diplomatisch zu lösen. Wie das geschehen soll, halten sie jedoch streng geheim. Kein akzeptables Angebot, keine pfiffige Idee, keine überlegenswerte Alternative – NIX…

Ich denke – wenn das Wort „Krieg“ in die Alltagssprache Einzug hält, ist es angebracht, dass sich jeder, dem der letzte Weltkrieg noch im Gedächtnis steckt, in die Debatte einmischt. Also – Vorschlag:
Sollte man nicht für die Ukraine ein Modell entwickeln ähnlich dem Beispiel Finnlands, Schwedens oder Österreichs? Eine weitere neutrale Ost-West-Brücke? Zur Abwendung eines „heißen“ Krieges“ in Europa könnte Russland ja möglicherweise mit einer Neutralität der Ukraine einverstanden sein – oder?

Also, mal höflich anfragen…

24. Januar 22


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