Zurück auf die Bäume, ihr Affen!

Immanuel Kant erwartete vom Ausbau internationaler Handelsbeziehungen eine Eindämmung kriegerischer Konflikte. Er schrieb: „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann und der früher oder später sich jedes Volkes bemächtigt.“ Wer will, kann das so sehen.
Die diversen Regierungen der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahrzehnten waren davon überzeugt, der Staat könne seine Aufgaben nur im Zusammenwirken mit anderen Staaten optimal erfüllen. Eine Politik der Autarkie kam auch deswegen nicht in Frage, weil die nationalen Interessen in der Wirtschaft nur noch eine untergeordnete Rolle spielten: Nicht der Staat, sondern Konzerne bestimmten über Verlagerungen von Produktionsstätten ins Ausland, Firmenverkäufe oder Penetrationsstrategien. In der globalen Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre ging es nicht um einen Konsens, sondern um Profitinteressen, Gewinnsteigerung und Kapitalmaximierung – wie Karl Marx es schon analysiert hatte: Kapitalistische Länder können niemals autark sein, da der Kapitalismus immer auf Expansion angewiesen ist, und deshalb sei „in einer internationalen Produktionsweise jeder Gedanke an das längerfristige Überleben einer autarken Wirtschaftsorganisation ein Hirngespinst“.
Jein… Nehmen wir mal einen anderen Propheten:
Johann Gottlieb Fichte, Vertreter des deutschen Idealismus, predigte den autarken Nationalstaat, also wirtschaftliche und politische Autarkie. Er stand auf dem Standpunkt, die wahre Ursache von Kriegen liege im streitenden Handelsinteresse der Nationen. Dadurch entstehe ein endloser Krieg aller gegen alle, als Krieg zwischen Käufern und Verkäufern, und dieser Krieg werde heftiger, ungerechter und in seinen Folgen gefährlicher, je mehr die Welt sich bevölkere. Die Produktion und der technische Fortschritt] würden immer weiter steigen und dadurch die in Umlauf kommende Ware an Menge, was wiederum menschlichen Bedürfnisse vervielfältige. Fichte hat weltweit drei prominente und relativ erfolgreiche Verfechter seiner Theorie: Den russischen, den chinesischen und den nordamerikanischen Präsidenten. Ihre Staaten sind groß genug, die Autarkie auch durchzusetzen. Alle anderen Regierungschefs strampeln mehr oder minder verzweifelt für ein bisschen mehr Unabhängigkeit.
Auch unsere deutsche Heimat erzittert unter der Furcht, versklavt zu werden und strampelt ganz gewaltig, um die Ketten der Abhängigkeit zu zerreißen.  Das muss man sich mal vorstellen: Bis August 2022 zahlte Deutschland für Lieferungen aus Russland bereits rund 28,4 Milliarden Euro… Was musste unser Land darunter leiden, russischer Energie ausgeliefert zu sein – Gas und Öl aus Russland waren zwar relativ günstig, aber nie und nimmer hätten wir uns davon abhängig machen dürfen! Auch die Abhängigkeit von Rohstoffen für den Bau erlesener Automobile oder von Pharmaprodukten, von Kaviar und Pelzmützen, war auf Dauer nicht hinnehmbar. Schluss damit!
Lieber unabhängig gegen Putin frieren, als abhängig im Warmen überwintern!
Und wenn die Chinesen, von denen schon jeder einzelne aufs engste mit der deutschen Wirtschaft verflochten ist, jetzt auch noch ihre gierigen Finger nach einem wenn auch nur kleinen Teil des Hamburger Hafens ausstrecken, obwohl ihnen doch schon große Teile Duisburgs gehören, ist es durchaus angebracht, dass unsere bellizistischen Geostrategen Anton Hofreiter und Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihr gellendes Katastrophengeschrei erheben!
Deutschland sollte nur eine Abhängigkeit kennen, und zwar die Abhängigkeit vom Wohlwollen der USA.
Alle anderen Abhängigkeiten – von englischer bitter orange Marmelade, französischen Filmen, italienischer Mode, spanischen Stränden, polnischen Handwerkern, griechischem Wein, skandinavischen Krimis, japanischem Sushi und allem, was uns sonst noch so überfremdet und unsere Identität bedroht, werden eliminiert. Deutschlands Ziel ist die absolute Unabhängigkeit:
Vom Wetter – wir schaffen ein eigenes deutsches Klima,
von weltweiten Ernten – wir brauchen keine Nahrungsmittel, sondern Energiepflanzen,
von internationaler Küche – deutscher Schweinebauch ist Delikatesse genug,
von Rohstoffen aus aller Welt – deutsche Mobil-Telefone zum Aufziehen tun es auch,
von Apple + Microsoft – Computer mit Windradantrieb reichen völlig,
vom Export – „made in Germany“ kommt nur noch deutschen Verbrauchern zugute,
vom Internet – Informationen erfolgen durch Ausruf von Herolden und Aushang am Rathaus,
vom € – ein Heller und ein Batzen sind unsere traditionellen Zahlungsmittel,
von Kinderarbeit – ihre Billigklamotten können deutsche Kinder auch selbst herstellen,
von Kaffee und schwarzem Tee – Muckefuck ist sowieso gesünder,
vom Alkohol und anderen Drogen – wir wollen die Dinge doch nüchtern betrachten:
Wir müssen die Globalisierung, in die wir verwickelt sind, konsequent abwickeln, alle globalen Beziehungen, Verträge und Verpflichtungen auf Zero zurücksetzen. Moderne Patrioten wissen: Anders werden wir unsere Autarkie nicht erreichen.

24. Oktober 22


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