Leopard,Tiger,Panther & Co 
Früher, in unserer atavistischen Welt, in der wir alle nur mit unseren Haaren bekleidet waren und uns bestenfalls mit einem Knüppel oder Stein tot schlugen, war Überlebenswille gefragt. Also haben wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten gepanzert und hölzerne Streitwagen angeschafft. Wir panzerten auch unsere Pferde und unsere Kampfelefanten, und später panzerten wir uns mit eisernen Ritterrüstungen. Der erste Panzerwagen – auf Rädern und mit Maschinengewehr ausgerüstet – wurde 1905 konstruiert: von der Firma „Austro-Daimler“ – für den Einsatz der Streitkräfte gegen die Feinde der österreichisch-ungarischen Monarchie. Da waren Tradition und Markenzeichen gefragt – also besann man sich auf die Heraldik einstiger Herrscherfamilien. Fortan kamen Löwen, Leoparden, Adler und anderes furchteinflößendes Wappengetier an die Front. So entwickelte sich die martialische Marotte, jegliches Kriegsgerät mit dem Namen einer Bestie zu versehen, die für Jagen und Töten steht. Moderne Menschen lieben es ja auch, Autos zu „taufen“, um zwischen Halter und Fahrzeug eine Art persönliche Bindung herzustellen, auch wenn die ziemlich einseitig bleibt. Und dass der VW-Konzern seine SUVs Amrock (das ist ein Huhn), Tuareg (das ist kein Tier, sondern ein Volk in Afrika) und Tiguan (das ist eine kühne Kreuzung von Tiger und Leguan) nennt, ist zweifellos seit Urzeiten im Fetischismus der Wolfsburger Braunkohlsteppe begründet. Dazu kommt noch ein psychologischer Aspekt – auf ihrer Website verrät die deutsche Bundeswehr die schamanischen Wurzeln militärischer Namensgebung: „Der Name soll die Wucht beschwören, mit der ihr Besitzer die Waffe führt. Wer sie beim Namen ruft, beschwört ihre tödliche Macht“. Das hätte auch das Oberkommando der Nazi-Wehrmacht nicht großkotziger formulieren können. Ab 1942 bekamen die Fahrzeuge klingende Tiernamen und 1944 forderte Goebbels „suggestiv wirkende Namen“ für „besonders hochwertige“ neue Waffen, um ihre propagandistische Wirkung auf das feindliche Ausland“ zu erhöhen. Das Kleinvieh hieß dann zwar nur Grille, Hornisse, Wespe und Heuschrecke, aber im Arsenal der Wehrmacht standen auch Nashorn und Elefant sowie die Großkatzen Löwe, Marder, Tiger und Panther. Und bei der Firma Porsche wurde ein noch größerer Panzer gebaut, er wog 188 Tonnen und verbrauchte im Gelände 3800 Liter auf 100 Kilometer. Erst sollte er „Mammut“ heißen, aus Geheimhaltungsgründen nannte man ihn dann aber „Maus“. Bis Ende 1944 entstanden davon zwei. Mit 1000 Tonnen noch sehr viel gewaltiger als die „Maus“ sollte der bei Krupp in Auftrag gegebene Panzer mit dem Namen „Ratte“ werden, dessen Bau jedoch 1943 eingestellt wurde. Stinktier, Blindschleiche und Ohrwürmer sind heute froh, dass sie damals namentlich nicht berücksichtigt wurden…
Nachdem das tausendjährige Reich der Nazis wehrtechnisch auf dem Schrottplatz geendet hatte, gab es für die deutschen Militaristen schon sehr bald nichts Schöneres, als sich erneut zu panzern, und zusammen mit den Panzergrenadieren, der Panzertruppe, der Panzerfaust, den Panzerknackern und den Panzerabwehrraketen feierten auch die Tiernamen ihr militärisches Comeback.
Im Kleintierbereich, der ja keineswegs ungefährlich ist, wurden fortan von der Bundeswehr Tiere gehalten, deren Namen auf bestimmte Eigenschaften hinweisen, die dem Fahrzeug zugeschrieben werden – der Biber überbrückt Gewässer, der Dachs wühlt sich durch die Erde und der Luftlande-Waffenträger Wiesel ist klein, flink und wendig. Auch Fuchs, Ozelot, Skorpion, Keiler und Leguan symbolisieren einen militärischen Nutzwert, aber in der Hierarchie ganz oben stehen weiterhin die großen Raubtiere: Der Leopard, bis zu 70 km/h schnell, kann schützen, spähen, kämpfen, sogar im Rückwärtsgang – was Felidae eben so können – dazu die Miezen Puma, Marder, Jaguar, Luchs und Gepard (das Schmusetier des Fernsehzoologen Bernhard Grzimek hätten wir alle gerne mal gestreichelt), und natürlich der Panther, ein Opfer von Rainer Maria Rilkes Dinglyrik 1902/03: „Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, der sich im allerkleinsten Kreise dreht, ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, in der betäubt ein großer Wille steht.“ Oh du prophetischer literarischer Symbolismus – das Drehen im allerkleinsten Kreise, also das Wenden fast auf der Stelle, ist kein Problem für den modernen Panther deutscher Streitkräfte, weder in der Wehrmacht noch in der Bundeswehr. Der überaus erinnerungsträchtige Suggestivname „Tiger“ wurde bislang allerdings – auf Anraten der Friedensbewegung – noch nicht wieder eingesetzt, obwohl ihn das Asow-Regiment in der Ukraine – eingedenk der Waffenbrüderschaft mit der Waffen-SS – gewiss gern zum Einsatz bringen würde. Warum auch nicht? Es gibt ja in der gegenwärtigen deutschen Armee auch die Flugkörper-Schnellboote der „Tiger-Klasse“ und zur Panzerabwehr den Tiger getauften Hubschrauber „Eurocopter UHT“…
Aber wir wollen natürlich die animalischen Traditionen des Nazi-Reiches nicht wiederbeleben, und so wird von Seiten der Rüstungs-Industrie erklärt: die Magie des legendären Tigerpanzers überträgt sich auf den Leopard oder Puma nur und ausschließlich in Form von Arbeitsplatzzahlen und Bruttosozialprodukt…
Glaubt ein hochtechnologisiertes Militär, das seine Einsätze kühl und emotionslos mit humanitären Gründen oder wirtschaftlichen Interessen Deutschlands, Europas oder der Bündnispartner begründet, wirklich immer noch an Magie und Hokuspokus? Auch wenn in den Lagerstätten für Nuklearwaffen die Manie mit den Tiernamen noch keine Anwendung fand (wir besitzen ja keine), besteht der Verdacht, dass die mentale Orientierung des Keule-schwingenden Steinzeitmörders heute auch das humane Nervensystem des Anton Hofreiter dominiert (Putin ist zu vergleichen mit einem „Straßenschläger, der erst zurückweicht, wenn ihm die Nase gebrochen wird“). Vielleicht sollten in der Geschichte der Evolution bewanderte Psychologen mal herausfinden, ob sich von Hermann dem Cherusker bis zu Baerbock, Dobrindt und Strack-Zimmermann in Gehirn und Psyche der Bellizisten irgendwas zum Positiven entwickelt hat, oder ob da immer noch die klassische Idiotie waltet, statt vernünftiger Verhandlungsstrategien gewalttätige Konfliktlösungen zu bevorzugen… Momentan sieht’s so aus, dass Homo Sapiens viel zu dumm ist, um mit seinen eigenen Erfindungen Schritt halten zu können. Vermutlich hat die Mischung von Urinstinkten der Gattung mit den aktuellen Zerstörungstechniken immer wieder Gehirn-Funktionsbereiche überfordert und lahmgelegt, möglicherweise sind auch zu viele Synapsen verödet oder sogar versypht. Darüber hinaus scheint der ungenutzte Großteil unserer Gehirnkapazität stetig zu wachsen…
Doch zum Trost für alle unbeugsamen Zivilisten: wenn wegen dieser Politiker, ihrer Rüstungslobbyisten, Generalstäbler, ihrer Follower und ähnlicher Leute mal wieder alles schief geht, haben wir zum Glück ja immer noch den Büffel. Der Berge-und Entpannungspanzer Büffel räumt nämlich alles weg – er kann sogar den Puma, wenn der mal wieder bewegungsunfähig die Strecke blockiert, entpannen und beiseite schaffen.
Und alle, denen zwar die gegenwärtige Panzer-Anbetung auf die Nerven fällt, die aber trotzdem die Netze militärisch nutzen wollen, und alle, die weder auf ihre Tierliebe noch auf ihr Faible für Panzerschlachten verzichten wollen, auch alle Amateur-Hackergruppen sowie Hobby-Cyberterroristen, können meinetwegen für den allseits tobenden Cyberwar weiterhin die Mac-Betriebssysteme nutzen: Löwe, Tiger, Leopard, Schneeleopard und Puma.
25. Januar 23