KONSERVATIVES KABARETT
Für Wirtschaftsminister Habeck ist Humor ein Stilmittel der Demokratie. Das exklusive Stilmittel, das in Bayern feilgeboten wird, ist der unfreiwillige Humor. Protagonisten sind vor allem Ministerpräsident Söder, der auch in gelben Gummilatschen immer noch die Gehirnsülze von Franz Joseph Strauß wiederkäut, oder Landesgruppenchef Dobrindt, der vermutlich sogar erfolglos wäre, wenn er seine Zehen im vorderen Teil seiner Socken suchen müsste, oder der CSU/EVP-Mann in Brüssel, Herr Weber, der immer so aussieht, als sei er aus einem überfüllten Staubsaugerbeutel gefallen – lächerliche Erscheinungen allesamt und großartige Produzenten unfreiwilligen Humors. In der bayerischen Landesregierung sind sie verbündet mit dem Vorsitzenden der Freien Wähler in Bayern, dem Herrn Hubert Aiwanger, und der ist stellvertretender Ministerpräsident sowie Wirtschaftsminister, aber ein ganzer komischer: Der glaubt, was er denkt – zum Beispiel, dass nach neuen europäischen Regeln Insekten heimlich in Lebensmittel untergemischt werden, und er zum Mehlwürmer-Essen gezwungen wird. Dieser Vertreter eines ausgereiften Dorftrottelhumors serviert dem Land unermüdlich seinen selbstgekochten Metaphernsalat. Auf einer Demonstration in Erding gegen die geplante Anpassung des Gebäude-Energiegesetzes rief er der Regierung zu, „Ihr habt’s wohl den Arsch offen da oben“, weil er meint, dass „diese grün dominierte Ampel Deutschland gegen die Wand fährt“. Unterstützt wird er bei seinem Kampf gegen die rasende Ampel und für den Erhalt der Wand unter anderen von einer völkisch orientierten Humoristin namens Monika Gruber: Die hat, wie Aiwanger sagte, „den Stein ins Rollen gebracht“, der „der Ampel den Boden unter den Füßen wegziehen wird“.
Derart pointiert vorgetragene Paradoxa machen Lust auf mehr, und so verriet der früher mal eher linke bayerische Kabarettist Bruno Jonas dem SPIEGEL: „Wenn Gruber auf die Theresienwiese kommt, dann werde ich auf der Bühne an ihrer Seite stehen“. Der Chef des Münchner Lustspielhauses, Till Hofmann, rief angesichts dieser Bedrohung ironisch jubelnd aus: „Auf gehts! Dabei sein! Die neue Geisterbahn auf der Wiesn mit kalten Schauern und warmen Worten aus vor sich hin meinenden Laubbläsern“. Mittlerweile hat Monika Gruber die Demo auf der Theresienwiese abgesagt – vielleicht widerstrebt es ihr, wenn Bruno Jonas sich auf der Bühne an Ihre Seite stellt.…?
Die Süddeutsche Zeitung hat die Chance genutzt, einen beträchtlichen Teil der bayerischen Kabarettszene unter der Bezeichnung „Konservatives Kabarett“ vorzustellen – all die Verkannten, Verfolgten, Unschuldigen und wahnsinnig Mutigen, diese armen Opfer mit ihrem großartigen Pegida-feeling, die Widerstand leisten müssen gegen die Gender-Deppen, gegen die mit Klebstoff bewaffneten Straßenblockierer und andere Tempolimit-Idioten, gegen die Vegan-Terroristen, dann noch gegen den militanten Gesundheitsminister und seinen Impfzwang… Konservative Kabarettisten sind folkloristisch-populistische Gaudi-Kasper, die uneigennützig, aber entschlossen gegen Außenseiter und Unruhestifter kämpfen wie zum Beispiel gegen die heraufziehende Ökodiktatur der Fridays for Future – Bekloppten… Konservative Kabarettisten sind ehrenwerte Bürger*innen vom rechten Rand, denen nichts wichtiger ist als ihre Ölheizungen, billiges Schweinefilet, längere Laufzeiten für Atomkraftwerke und die Bewahrung ihrer spießigen Ideale: Alles, was von ihren tradierten Gewohnheiten abweicht, gilt ihnen als abartig. Konservative Kabarettisten fühlen sich bedroht – nicht von denen „da oben“, sondern von denen „da unten“, diesen radikalen Minderheiten, die sich dem Leistungsprinzip verweigern. Konservative Kabarettisten sind das Volk, reaktionär, aber lustig, eine aktuelle Kraft-durch-Freude-Bewegung, sie wollen ihre provinzielle Art zu denken und zu reden beibehalten. Bestrebungen, sich aktiv für die Umwelt stark zu machen und die menschliche Lebensart zu ändern, werden von ihnen unter Einsatz aller Mittel abgewertet, und das mit dem Klima wird schon nicht so schlimm werden…
Argumentativ gestützt werden die Kleinkünstler von zwei Groß- Intellektuellen vom selbsternannten „Zentralrat des deutschen Humors“, die sich „gegen vorgegebene Meinungskorridore“ aussprechen. Ich weiß nicht, wie und wo sie diese Korridore entdeckt haben, zwischen den Zeilen lese ich aber heraus: konservatives Kabarett solle keinesfalls Partei ergreifen, schon gar nicht rechtzeitig, und das Gebot der Stunde sei Indifferenz und Haltungslosigkeit.
Und so finden die bajuwarischen Brettl-Quäler überall im Freistaat ihr begeistert johlendes und saufendes Publikum. Für bundesweite Verbreitung der bayerischen Meinungseinfalt sorgt in erster Linie der als Humorist getarnte ARD-Magerquarksatire-Verkäufer, der seine Follower seit Jahren mit Witzen über Political Correctness und so genannte Gutmenschen bedient. Er liefert antisemitische, nationalistische, schwulen- und islamfeindliche Vorurteile, und er geigt mit Hohn und Denunziationen den Schwachen der Gesellschaft ordentlich die Meinung. Er nimmt für sich die Deutungshoheit beim rituellen Beschimpfen alter Leute in Anspruch, und am liebsten beleidigt er Politiker, die nicht einflussreich genug sind, um ihm schaden zu können. Dass er bei Themen wie Bisexualität oder Transgender besonders eklig aufblüht, versteht sich von selbst – selbstgefällig, arrogant, satt und arriviert, aber nur mit einer höchst mittelmäßigen Bühnenpräsenz ausgerüstet, trippelt er mit kleinen Schritten auf der Bühne hin und her und serviert mit verschwörerisch gesenkter Flüsterstimme eine Aneinanderreihung von schlecht recherchierten Anfeindungen gegen engagierte Linke, oberflächliche Verhöhnungen leidenschaftlicher Weltverbesserer, miese Bloßstellungen unbeholfener Ausländer und Feindseligkeiten gegen unangepasste Außenseiter. Bei seinen Strafpredigten gegen das Zeitgeschehen und das Versagen aller Verantwortlichen grimassiert er so komödiantisch, als sei er der Schmerzensmann vom Obersalzberg, der seine eigenen hinkenden Nazi-Vergleiche zurücknehmen muss. Zerebral fühlt er sich wahrscheinlich dem kapitalistischen System verbunden, seine Interviews werden in der AfD-Presse abgedruckt, und er geniert sich auch nicht, ein junges Mädchen, das sich engagiert für den Klimawandel einsetzt, mit seiner Häme zu überschütten. Eitel inszeniert er sich als Experte, der der Jugend an Alter und Weisheit hoch überlegen ist. Dabei ist sein Bild der Jugend nicht entstanden durch ernsthafte Betrachtung, sondern klischeehaft und mit altersmatt-bitterem Lächeln lackiert. Sein Lieblingsthema ist die Heuchelei. Dabei kommt er dann ins große Raunen: Greta Thunberg ist mit dem Auto vom Hotel zum UN-Gebäude gefahren – ganz schlimme Heuchelei! Er ist der permanente Friedhofsprediger von Moral und guten Sitten. Er verurteilt alle und alles außer der eigenen Passivität und Mittelmäßigkeit, denn bei aller unerbittlichen Härte seines Auftretens ist er dünnhäutig und schnell gekränkt. Ihn auf seiner eigenen Wertskala zu beurteilen, das hält er für extrem unfair. Stößt er auf Ablehnung, reklamiert er seine Meinungsfreiheit: Er „will ja nur sagen, was er denkt!“, doch leider darf man, angesichts der linksversifften grünen Meinungsdiktatur, die alle Auf-Rechten ständig zensiert, in diesem Land schon lange nicht mehr alles sagen.“
Und leider musste er, der mutige Possenreißer, sogar feststellen: „Es ist das erste Mal seit 1945 so, dass man befürchten muss, dass man umgebracht wird, weil man was Falsches sagt.“ Nun, einstweilen hat es niemand der Mühe für Wert befunden, diesen Grützbeutel der Unterhaltungsindustrie zum Schweigen zu bringen. Auch nicht im Korridor.
Ihm und seinen Geistesverwandten auf der Bühne und im Publikum wünsche ich selbstverständlich nur das Beste. Wie wär’s zum Beispiel mit einem Reichskanzler Björn Höcke, einer Innenministerin Alice Weidel, einer Kriegsministerin Beatrix von Storch und einem Bildungsminister Aiwanger? Dann kann die konservative Kabarett-Branche mal erleben, wie das ist, wenn man nicht mal mehr sagen darf, dass man etwas nicht mehr sagen darf…
22. 06. 2023