Erinnerung an Olafs Fest der Demokratie
Demonstrationen gegen AfD und Rechtsradikale: schön + gut!
Aber was ist mit Demonstrationen gegen eine Zusammenrottung von Regierenden, die eine ausbeuterische, militaristische, ausländer- und umweltfeindliche Politik vertreten?
Politiker und Polizeiführung, aber auch alle Menschen mit Verstand wussten vorher, dass es 2017 bei diesem G20-Gipfel zu Gewalttätigkeiten kommen würde. Deshalb waren Polizistinnen und Polizisten erstklassig ausgerüstet: Glasfaserhelme, Sicherheitsschuhe, flammenabweisende Unterwäsche, Genitalschutz, Arm- und Beinprotektoren, Schutzweste mit Metallplatten – man musste schon froh sein, dass sie sich nicht auch noch einen Rammbock vor den Bauch geschnallt hatten. Nie zuvor waren in einer deutschen Stadt so viele Polizisten versammelt, um den Bürgerinnen und Bürgern so wenig Schutz zu bieten: Es waren rund 33.000.
Nach dem Sieg über den Schwarzen Block (über 300 böse Outlaws) und andere Demonstranten stand die Bevölkerung Hamburgs vor den rauchenden Trümmern ihrer Stadt, und es schien den Menschen ratsam, Hamburg an anderer Stelle neu zu errichten. Man war sich schnell einig: Als Grundstück für den Wiederaufbau empfahl sich das Gelände des Berliner Hauptstadtflughafens. Die Trümmer an Elbe und Alster sollten jedoch liegen bleiben als Mahnmal für die Opfer der Sozialdemokratie.
Der regierende Hanseaten-Bürgermeister Olaf, von Hause aus Jurist, hatte schon vor Beginn des Gipfels gefordert, alle, die sich gegen sein sogenanntes „Fest der Demokratie“ zu versündigen die Absicht hätten, müssten mit „sehr schweren Strafen“ rechnen, und später stellte er im Norddeutschen Rundfunk fest: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“ Weiter sagte er, das Wort „Polizeigewalt“ dürfe man gar nicht in den Mund nehmen, denn das sei ein Kampfbegriff der Linksextremen. Da redete er allerdings extremen Blödsinn: „Polizeigewalt“ ist ein Begriff aus der Kriminologie, der die physische Gewalt von Polizisten beschreibt, die das Prinzip der Verhältnismäßigkeit missachten. Und dieser Begriff wird von Professoren, Gutachtern und von Mitgliedern aller Parteien im Bundestag benutzt. Aber das muss ein Bürgermeister ja nicht wissen… Hoffen wir, dass mittlerweile irgendjemand dem dummen Olaf wenigstens erklärt hat, was man unter „Denunziation“ versteht…
Seit diesem G20-Gipfel ist es ratsam, Demonstrationen zu meiden, die Polizei und Obrigkeit nicht in den Kram passen, will man nicht schwer verletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden. Einfache Zuschauer, auch wenn sie minderjährig sind, können damit rechnen, wegen Landfriedensbruch auf Verbrecherfotos in Tageszeitungen zur Treibjagd freigegeben und an den Onlinepranger im Internet gestellt zu werden…
Da bleibt eigentlich nur noch eine kleine Frage zu stellen: Kann jemand drei für die Menschheit nützliche Vereinbarungen aufzählen, die auf diesem G20-Gipfel 2017 beschlossen wurden? Zwei? Eine? Keine?
Olafs „Fest der Demokratie“ war wirklich ein Riesenerfolg.
In diesen Tagen, sieben Jahre nach den gewalttätigen Ausschreitungen der Staatsgewalt, ist das Verfahren um den Polizeieinsatz gegen Gipfelgegner mit einem Vergleich, also ohne Urteilsspruch, zu Ende gegangen. Vor dem Verwaltungsgericht Hamburg verpflichtete sich die Stadt zur Zahlung von Schadenersatz an drei Kläger, die bei dem Einsatz von Polizisten verletzt worden waren: Eine Demonstrantin trug eine vier Zentimeter lange Platzwunde am Hinterkopf davon, die genäht werden musste. Ihrem Mitstreiter trat ein Polizist in den Rücken, als er am Boden lag, der dritten Klägerin wurde Tränengas ins Auge gesprüht.
Das Gericht kritisierte die Polizei deutlich: Der Einsatz fand statt ohne Vorwarnung, die Demonstranten wurden mit Reizgas und Schlagstöcken attackiert, mit Tritten und Fäusten traktiert. Das Gericht hat klar gemacht, „dass die Polizei nicht ohne jede Vorwarnung eine Versammlung zusammenprügeln darf“.
Die Polizei hatte im Laufe des Verfahrens einräumen müssen, dass sie die Versammlung vor ihrem Angriff nicht offiziell aufgelöst hatte. Dazu sei sie wegen der „dynamischen Situation“ nicht mehr in der Lage gewesen, sie habe den Aufzug mit Gewalt „aufstoppen“ müssen. Das Gericht wies diese Argumentation zurück. Die „Erforderlichkeit einer Gewaltanwendung von einer solchen Eingriffsintensität“ sei hier auf Versäumnisse in der Einsatzplanung der Polizei zurückzuführen. Daher sei die Gewalt „nicht als angemessen“ zu sehen. Die Absurdität der Argumentation ist schwer zu überbieten, wenn die Polizei behauptet, sie müsse eine friedliche Demonstration erst gewaltsam zusammenknüppeln, bevor sie diese rechtskräftig auflösen könne. Wegen der Vielzahl ähnlicher Fälle während der G20-Proteste kann auch Olaf nicht protestieren, wenn man von einem „systematisch rechtswidrigen Vorgehen“ der Polizei spricht.
Es ist ein schönes Schuldeingeständnis von Stadt und Polizei Hamburg, sich auf die Schadenersatzzahlung eingelassen zu haben. Ich denke, das haben sie getan aus Angst zu verlieren.
17. April 2024