Auch das noch

Generalfeldmarschall Boris Pistorius der Große hat uns ermuntert, „kriegstüchtig zu werden“. Ich hab mir das zu Herzen genommen und einen Stammtisch gegründet für alle mir bekannten, mittlerweile ergrauten Wehrdienstverweigerer, an dem wir regelmäßig über die Waffensysteme im Ukraine-Krieg diskutieren, die Zeitenwende besprechen und die Bereitstellung der vielzitierten „Sonderschulden“, also jener Kriegskredite, die von Optimisten auch „Sondervermögen“ genannt werden, abfeiern. Wir teilen Pistorius’ Ansicht, dass „die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte“. Was er unter „in Europa“ versteht, sagte er ja nicht, aber es ist wohl klar, dass er die Ukraine nicht jenseits der Mongolei, also in Asien, verortet, sondern ein Territorium ganz nah bei Deutschland meint oder vielleicht sogar inside unserer Heimat … Wir Stammtischler arbeiten also am Durchbruch eines allgemeinen Mentalitätswechsels, wie ihn unsere oberste Heeresleitung fordert, weil wir wissen: Die nationale Souveränität der Ukrainer ist für Deutschland sehr viel wichtiger als die von Armeniern oder Kurden oder irgendwelchen Afrikanern.

Zu vernachlässigen sind demnach für uns die Angriffe, die die türkische Regierung von Recep Tayyip Erdoğan gegen das kurdische Volk veranstaltet, die Bombardements mit Kampffliegern oder Drohnen gegen die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur, sogar gegen die Wasserversorgung. Erdoğan muss das machen: Nur so kann er die kurdische Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, sie psychisch destabilisieren, das Vertrauen in die Selbstverwaltung erschüttern und vermehrte Fluchtbewegungen auslösen. Es ist absurd: Die Türkei erhält viel Geld von Deutschland, damit sie einerseits Fluchtbewegungen unterbindet, die sie andererseits verursacht. Sicher, da kommen Menschenrechtsverletzungen vor, aber die Türkei muss Geld verdienen, und Deutschland bleibt nichts anderes übrig, als die türkischen Maßnahmen aus praktischer Abwägung heraus zu akzeptieren.

Afrika steht auch auf unserer Agenda, wo Bundeskanzler Scholz kürzlich ein Migrationszentrum in Lagos besuchte, um herauszufinden, warum Nigeria abgeschobene Migranten so zögerlich zurücknimmt. Zur gleichen Zeit verhandelte Innenministerin Faeser über nützliche und unnütze Migranten in Marokko, dessen Monarchie sich die Westsahara als Kolonie hält. Hoffen wir, dass all diese wertebasierten Gespräche zum Thema „Afrikaner raus“ nicht eines Tages den Einsatz schwerer Waffen erfordern.

Außenministerin Annalena Baerbock tat ebenfalls ihr Bestes zum Wohle Deutschlands: Neun Millionen Euro transportierte sie, wahrscheinlich in einem Seitenfach ihrer Einkaufstasche für ÖL und Gas aus Aserbaidschan, nach Armenien als Soforthilfe für die dort hängengebliebenen Karabach-Flüchtlinge. Neun Millionen, verteilt auf 100.000 Geflohene, das sind pro Nase stolze 90 Euro. Damit kann man es weit bringen in jener Gegend! Und sicher war auch der kleine Teddy, den sie einem armen kleinen armenischen Mädchen überreichte, ein schöner Mutmacher für alle, die diesen feinen Beweis für deutsches Wohlwollen im Fernsehen sehen konnten…

Baerbocks grüner Kamerad Robert Habeck, der einzige professionelle Schriftsteller unter den aktiven deutschen Bundesministern, hat mal wieder eine Rede gehalten, und die wurde sogar von der CDU gelobt. Die Kernsätze waren: „Die hier lebenden Muslime haben Anspruch auf Schutz vor rechtsextremer Gewalt – zu Recht. Wenn sie angegriffen werden, muss dieser Anspruch eingelöst werden und das gleiche müssen sie jetzt einlösen, wenn Jüdinnen und Juden angegriffen werden. Sie müssen sich klipp und klar von Antisemitismus distanzieren, um nicht ihren eigenen Anspruch auf Toleranz zu unterlaufen“. Grundsätzlich muss man bei Herrn Habeck immer nachforschen, was er eigentlich meint: Mit „hier“ meint er nicht die weite Welt, sondern Deutschland. Und die „hier“ lebenden Muslime haben zwei Ansprüche: 1. Den Anspruch auf Schutz vor rechtsextreme Totschlägern, und 2. den Anspruch auf Toleranz, ganz egal, was sie essen, anziehen oder beten. Wie ein Muslim seinen Anspruch auf Toleranz allerdings „unterläuft“, muss ich wohl mal googeln. Ich vermute, der Minister meinte eigentlich eher „verwirken“. Daraus ist zu schließen: Wenn Muslime zum Thema Antisemitismus anderer Meinung sind als der deutsche Wirtschaftsminister, werden sie den völkischen Gewalttätern ausgeliefert? Nein, das meint Herr Habeck vermutlich nicht, aber dass diese unbotmäßigen Muslime dann rigoros abgeschoben werden, diesen Gedanken will der Vizekanzler wohl freisetzen. Muslime „müssen“ seine Bedingungen erfüllen, „müssen“ sich klipp und klar vom Antisemitismus distanzieren. Das ist natürlich überaus wünschenswert – aber „müssen“ dann nicht auch Christen, Hindus, Konfuzianer, Klingonen und ich als Atheist diese Bedingungen erfüllen? Überhaupt – müsste nicht das „Sich Distanzieren“ für alle Erwachsenen in allen Parteien, Vereinen, Organisationen und Familien obligatorisch werden? Ich zum Beispiel distanziere mich sofort und ganz klar vom Essen mit Stäbchen, von Hosen mit Schlag, von gefärbten Haaren, lispelnden Politikerinnen und ganz normalen Verkehrsidioten. Aber solange das deutsche Grundgesetz nicht in diese Richtung verändert worden ist, kann in unserer Demokratie jeder Muslim im Nachthemd und jede Muslima mit Kopftuch die abwegigste Meinung vertreten, ohne den Anspruch auf Toleranz einzubüßen. Klar, Habeck? So lange Sie Ihre o.g. Sätze nicht zurücknehmen, sind Sie nichts anderes als ein verkappter Rassist.

Freude hat uns Stammtischlern mal wieder Bayern gemacht: Der Freistaat pochte darauf, dass Asylbewerber statt Geld Sachleistungen und eine Bezahlkarte bekommen und hat sich bundesweit durchgesetzt: Während die Eingeborenen unter der Inflation leiden, kann den Geflüchteten mit Bezahlkarte, die ihre notwendigen Lebensmittel in einem Warenkorb erhalten, die Preissteigerung bei Nudeln, Kartoffeln und Brot egal sein. Die sollen ja nur satt werden. Geld für Geflüchtete muss es da nicht mehr geben, und mit der Bezahlkarte werden weder Überweisungen noch Bargeldabhebungen möglich sein. Das wird verhindern, dass Migranten Geld in die Heimat überweisen. Dadurch kriegt das Baby am Äquator vielleicht Hungerödeme, aber Deutschland hält sich strikt an ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Die Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren“. Und das heißt: Die Leistungen dürfen nicht gekürzt werden, um Menschen abzuschrecken. Und was wäre, wenn bestimmte Artikel, wie Zigaretten oder Alkohol, für Asylbewerber beim Einkauf gesperrt würden? Nun, es geht ja nicht nur um die „physische Existenz des Menschen“, sondern auch um die „Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen“, und da ist es für alle Seiten von Vorteil, wenn den Geflüchteten die Möglichkeit, sich durch Rauchen und Saufen zu ruinieren, entzogen wird.

FDP-Chef Lindner, ein Porschefahrer, der bekanntlich immer wieder darauf hingewiesen hat, dass Geflüchtete in Deutschland in Saus und Braus leben, betonte kürzlich in einem Interview, auch er könne sich angesichts der Teuerung im Land schon lange nicht mehr täglich Champagner, Kaviar und Stopfleberpastete leisten, und er wolle nun den Geflüchteten mit gutem Beispiel vorangehen: Er habe allen seinen Parteikollegen die Minister- und Abgeordnetengehälter gestrichen und sich sogar selbst die Bezüge gekürzt, und er hole sich seine Sachleistungen jeden zweiten Tag persönlich beim Bundestags-Pförtner ab. Das nenne ich mal einen effektiven Wahlkampf.

Da wir gerade bei Bayern sind: Was ist denn jetzt mit diesem Daniel Halemba, der bayerischen Ausgabe von Philipp Amthor? (Die ganze Generation dieser politischen Richtung sieht ja aus wie dem jungen Merz oder dem juvenilen Spahn aus der Hose gerieselt.) Der unterfränkische AfD-Abgeordnete konnte ja nicht an der konstituierenden Sitzung des Bayerischen Landtags in München teilnehmen, weil gegen ihn wegen des „Verdachts der Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ ermittelt wurde, und bei der Verlesung seines Namens im Plenum hieß es dann ganz lakonisch: „Entschuldigt.“ Mittlerweile sitzt er im Landtag (in der Nachbarzelle von Alfons Schuhbeck wäre mir auch recht), wo er als einziger Abgeordneter aber keine Immunität genießt. Genau betrachtet, ist Halemba ja nicht viel älter als der Chef der Freien Wähler, Herr Aiwanger, als der in seiner Jugend als Nazi-Propagandist unterwegs war. Und nun soll dem Herrn Halemba aus einem simplen „Sieg Heil!“ in einem Gästebuch ein Strick gedreht werden? Ja, wo sanmer dann? Ministrabel is der Bua, ministrabel!!

  1. Nov. 23

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